im Spiegel der ersten französischen Revolution. 7
1789 in Frankreich. Unsre Staatsfinanzen stehen nicht vor dem
Bankerutt wie die Frankreichs zu jener Zeit. Und vor allem
fußt und wurzelt die ganze Masse des heutigen deutschen Bürger-
tums, Handel, Gewerbe, Landwirtschaft, Beamtentum in Staat
und Gemeinde, der Gelehrtenstand, ja auch der allergrößte Teil
der deutschen Arbeiterschaft durchaus treu in dem Boden unfrer
Staats= und Gesellschaftsordnung. Die pessimistisch-materia-
listische oder angeblich naturrechtliche oder natürliche Weltweis-
heit, welche zu Beginn der ersten französischen Revolution alle
Glieder des französischen Volkskörpers ergriffen und durchseucht
hatte: Hof, Kirche, Adel, Heer, Bürger und Arbeiter, und alle
das Heil nur aus einer grundstürzenden Umwälzung alles Be-
stehenden erhoffen ließ, hat bei uns nur den Schaum und die
Hefe unfres Volkes berührt, einige Strudelköpfe der höheren
Schichten und die ungebildeten und urteilslosen Massen, welche
der Verführung der Sozialdemokratie zugänglich sind. Die
große Mehrheit unfres Volkes steht treu beim Glauben ihrer
Väter, bei der Überzeugung, daß unser bestes Erbteil der hohe
stolze Idealismus unfrer Freiheitskämpfer, unfsrer klassischen
Dichter, und unfrer eigenen Arbeit zu unserer Einheit und Frei-
heit sei!
Aber ganz anders ist dieses Bild unfrer deutschen Gegen-
wart gestaltet, wenn wir die Schriften, Flugblätter und Reden
unfrer sozialdemokratischen Führer und die Programme dieser
Partei von Gotha (1875) bis Erfurt (1891) aufschlagen. Nach
allen diesen Erzeugnissen trägt unfre heutige Gesellschafts= und
Staatsordnung bereits genau dieselben hippokratischen Züge eines
unrettbar dem Tode verfallenen Wesens, wie die französische vor
dem Anbruch der ersten französischen Revolution. Die Ahnlich-
keit ist so groß, daß uns bange werden könnte, wenn wir nicht
wüßten, daß bei dieser Schilderung nur der Wunsch, es könnte
und möchte bei uns so sein wie damals in Frankreich, der Vater
des Gedankens gewesen ist. Außerdem aber wissen wir, daß
keiner der sozialdemokratischen Gelehrten, selbst Karl Marx nicht,
jemals die Mühe und die große Arbeit unternommen hat, in