Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

VI Vorrede. 
Das bürgerliche Gesetzbuch erklärt jede Person mit Vollendung 
des 21. Lebensjahres für volljährig und verlangt von da an von ihr 
die für ihr Leben erforderliche Umsicht und Rechtskenntnis; der Staats- 
angehörige muß seine rechtliche Stellung als Privatmann und seine 
Rechtsverhältnisse zu anderen Privatpersonen kennen, um nicht in 
Prozesse und eventuell um Ansehen und um sein Vermögen zu kommen. 
In demselben Maße, ja unter Umständen in noch viel bedeuten- 
derem Maße, verlangt das öffentliche Recht, das die männlichen Staats- 
bürger mit Vollendung des 25. bezw. 30. Lebensjahres für vollberechtigt 
erklärt, daß der Staatsangehörige sich seiner Verantwortung als Mit- 
glied der politischen Gesellschaft bewußt ist. 
Der Rechtsboden ist heiliger als das Eigentum, die Erhaltung 
guter öffentlicher Zustände und die Ehre des Vaterlandes verlangt im 
Notfall nicht nur das ganze Vermögen des Staatsbürgers, sondern 
sogar sein Leben. 
Es verlangt also kurz gesagt unsere Zeit eine gewisse Allgemein= 
bildung und die notwendige Rechtskenntnis sowohl vom Privatmann 
sei er Künstler, Techniker, Lehrer, Handwerksmann oder Landwirt, Herr 
oder Arbeiter, als von öffentlichen Dienern, des Zivils oder Militärs, 
überhaupt von jedem Staatsangehörigen allgemeines und unter Um- 
ständen spezielles Verständnis des öffentlichen Rechts und dieser Forderung 
kann sich auf die Dauer Niemand, sei er wer er wolle, entziehen. 
Denn was würde man heutzutage sagen, wenn es hieße, der Richter 
saß mit Schöffen oder Geschworenen zu Gericht, die ohne jede Rechts- 
bildung waren. 
Bei Wahlen wird ja unstreitig mehr Regsamkeit und prozentuale 
Beteiligung als vor 30 Jahren konstatiert, aber eben je mehr dies der 
Fall ist, desto mehr sollte doch auch das Verständnis für die Verfassungen 
und das Nationalgefühl an unseren gemeinsamen Einrichtungen von 
immer größerem Interesse und Wert sein und die Gleichgiltigkeit oder 
Trägheit in dieser Hinsicht allmählich beseitigt werden. 
Statt dessen bequemt und beschränkt man sich zu sehr auf die 
parteiischen Ausführungen der öffentlichen politischen Redner und während 
das Volk auf die Erfüllung der Versprechungen hofft, zeigt es sich beim 
Verfolg der wahrheitsgetreuen parlamentarischen Berichte, daß solche 
Ausführungen mit dem wahren Sachverhalt sehr oft nicht stimmen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.