Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

78 Zweiter Teil: Organisation des Bundes. 
IX. Die Aufsicht über den Vollzug der Reichsgesetze und Reichs- 
Verordnungen 2c. 
Das dem Reich nach Art. 4 der Reichs-Verfassung zustehende 
Recht der Beaussichtigung steht in Ansehung des Gesetzesvollzugs dem 
Kaiser zu (Reichs-Verfassung Art. 17). Er überwacht die Einhaltung des 
gesetzlichen Verfahrens und die Ausführung der Gesetze durch Reichs- 
beamte. Dieses Ausfsichtsrecht begreift jedoch nicht das Recht in sich, 
unmittelbare Befehle zu erlassen, sondern die hiebei vom Kaiser oder 
den Vollzugsorganen gemachten Wahrnehmungen oder Anzeigen über 
Mängel bei der Ausführung der Gesetzgebung werden dann dem 
Bundesrat zur Beschlußnahme (Reichs-Verfassung Art. 7, Ziff. 3Z und Art. 19) 
vorgelegt (Reichs-Verfassung Art. 36, Abs. 2, 3, Art. 56). 
Nur in militärischer Beziehung ist der Kaiser als Bundesfeldherr 
(in Bayern und Württemberg nur nach Maßgabe der Konvention) 
berechtigt, sich jederzeit von der Verfassung der einzelnen Kontingente 
zu überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel 
anzuordnen (Reichs-Verfassung Art. 63). 
X. Die autheutische Interpretation der Reichsgesetze. 
Ist der Inhalt eines Rechtssatzes in einem Reichsgesetze streitig 
geworden, so kann eine authentische Auslegung nur vom Gesetzgeber 
geschehen. Zur Gültigkeit einer solchen gehören alle formellen Erforder- 
nisse eines Reichsgesetzes. 
Ueber die Wirksamkeit gelten daher durchaus die sub V oben 
aufgestellten Sätze. 
XI. Die Dauer der Wirksamkeit der Reichsgesetze. 
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen behalten Gesetze so lange 
üre Kraft, bis sie vom Gesetzgeber wieder aufgehoben oder geändert 
werden. 
Das Gleiche gilt von den Reichsgesetzen. 
XII. Die Aenderung oder Aufhebung der Reichsgesetze. 
Die Aenderung oder Aufhebung von Reichsgesetzen kann nur 
von den gesetzgebenden Faktoren aus erfolgen und auch nur unter 
denselben formellen Voraussetzungen, unter denen das geänderte oder 
aufgehobene Gesetz zustande gekommen ist. 
Ueber das Verhältnis des neuen Gesetzes zum aufgehobenen 
oder zu widersprechendem Gesetze gilt das oben sub VI Gesagte.
	        
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