84 Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
freien Städte vertreten und es hat daher keine noch so hochgestellte
oder privilegierte Person (wie z. B. das fürstliche und gräfliche Haus
Schönburg zu haben glaubte) Anspruch auf Sitz und Stimme im
Bundesrate (Sten. Bericht 1871, S. 430).
Diese Stimmenverteilung beruht nämlich auf den Vorschriften
für das Plenum des ehemaligen Deutschen Bundes von 1815.
(Sten. Bericht 1867 I., S. 350.) Darnach zählt die preußische Stimme
unter Einrechnung der 1866 eroberten Staaten 17 fach, die der König-
reiche Sachsen und Württemberg je 4 sach, Bayern erhielt seinem
Wunsche entsprechend und aus Billigkeits-Gründen ein Mehr von 2
gleich 6 Stimmen (Anl. zur Session 1867 II, S. 192), Baden und Hessen
je 3 fach, Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 2 fach, die übrigen
je 1 fach. Dabei ist zu bemerken, daß Waldeck durch Vertrag vom
18. Juli 1867 (preußische Gesetzsammlung 1868, S. 1), seine ganze Staats-
verwaltung (nicht aber die Souveränetät) bis auf Weiteres an Preußen
abgetreten hat und daß bis zur Lösung dieses Vertrages Preußen im
Bundesrat auch die Stimme von Waldeck führt (s. auch Vertrag vom
2. März 1887, Gesetz-Sammlung S. 177). Nach der Bevölkerung würden
Preußen von den 58 Stimmen 38 gehören. Früher hatte es mehr
(s. Sten. Ber. 1867 1 S. 12.11 u. 1251).
Die Stimmenverteilung in Reichs-Verfassung Art. 6 begründete
Bismarck in der Sitzung des norddeutschen Reichstages vom
26. März 1867 (Protokoll S. 350, Spalte 2) wie folgt:
„Jede Stimmverteilung dieser Art hat notwendig etwas Will-
kürliches. Sie so einzurichten, etwa wie im Reichstage, daß die
Bevölkerung maßgebend wäre, ist hier natürlich eine Unmöglichkeit.
Es würde dann auf Preußen eine solche Moajorität fallen, daß die
übrigen Regierungen gar kein Interesse hätten, sich daneben vertreten
zu lassen. Es hat also notwendig ein Stimmverhältnis gewählt
werden müssen, welches eine Moajorität außerhalb der preußischen
Vota zuläßt. Die hier vorliegende Verteilung hat einen ganz
außerordentlichen Vorzug, der namentlich, je mehr Spielraum der
Willkür geboten ist, umso schwerer ins Gewicht fällt, nämlich den-
jenigen, daß die Regierungen sich darüber geeinigt haben, was für
einen andern nicht so leicht zu erreichen sein wird. Warum haben
sie sich darüber geeinigt, meine Herren? weil hier eine zwar auch
willkürliche Verteilung vorliegt, die aber 50 Jahre alt ist und an
die man sich 50 Jahre lang gewöhnt hat.“
Da Elsaß-Lothringer kein selbständiger Staat ist, steht ihm
als Reichsland auch keine Vertretung im Bundesrate zu (Sten. Bericht 1871,
S. 1001). Allein nach § 7 des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1879
(Reichsgesetzblatt S. 165), „können zur Vertretung der Vorlagen aus
dem Bereiche der Landesgesetzgebung, sowie der Interessen Elsaß-
Lothringens bei Gegenständen der Reichsgesetzgebung durch den Statt-
halter Kommissare in den Bundesrat abgeordnet werden, welche an
dessen Beratungen über diese Angelegenheiten teilnehmen.“