Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

92 Zweiter Teil: Organisation des Bundes. 
permanenten Kollegium gestaltet. Die Berufung erfolgt daher seit 1883 
nicht mehr durch formelle kaiserliche Verordnung im Neichsgesetzblatt. 
Eine Auflösung des Bundesrates ist schlechthin ausgeschlossen. 
V. Die Geschäfts. Ordnung des Bundesrates. 
Der Bundesrat behandelt seine Geschäfte nach der von ihm selbst 
erlassenen revidierten Geschäftsordnung vom 26. April 1880 mit der 
Aenderung vom 31. Januar 1895. Dieselbe ist nicht publiziert, 
sondern nur als Manustkript in der Reichsdruckerei gedruckt. Die 
Reichs-Verfassung schreibt in dieser RNichtung vor: 
Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte 
steht dem Reichskanzler (d. h. dem Vertreter des Präsidiums: des 
Kaisers) zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. Der Reichskanzler 
kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrates vermöge. 
schriftlicher Substitution vertreten lassen (Reichs-Verfassung Art. 15, Sten. 
Bericht 1869, S. 401). 
Hiebei erkannte es der königlich preußische Bevollmächtigte als 
ein Recht der bayerischen Regierung an, daß ihr Vertreker im Falle 
der Verhinderung Preußens den Vorsitz im Bundesrate führe 
(Schlußprotokoll mit Bayern am 23. November 1870, Abschnitt IX). 
In gleicher Weise wie der Vorsitzende kann sich auch jedes 
andere Mitglied des Bundesrates vertreten lassen. Uebrigens werden 
zum Voraus Stellvertreter der Bundesratsbevollmächtigten ernannt. 
Jedes Bundesmitglied ist befugt, Vorschläge zu machen 
und in Vortrag zu bringen und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben 
der Beratung zu übergeben (Reichs-Verfassung Art. 7, Abs. 2). 
Die Beschlußfassung erfolgt, vorbehältlich der Bestimmungen 
in den Art. 5, 37 und 78, mit ein facher Mehrheit (Reichs-Verfassung 
Art. 7, Abf. 2) Hievon gelten solgende Ausnahmen: 
Veränderungen der Verfassung gelten als abgelehnt, wenn sie 
im Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben. 
Diejenigen Vorschriften der Reichs-Verfassung, durch welche 
bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur 
Gesamtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des berechtigten 
Bundesstaates abgeändert werden (Reichs-Verfassung Art. 78). 
Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegsmarine 
und die im Art. 35 bezeichneten Abgaben giebt, wenn im Bundesrate 
eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums 
den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden 
Einrichtung ausspricht (Reichs-Verfassung Art. 5). 
Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der gemein- 
schaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften 
und Einrichtungen giebt die Stimme des Präsidiums alsdann den 
Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden 
Vorschrift oder Einrichtung ausspricht (Neichs-Verfassung Art. 37).
	        
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