Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

106 Zweiter Teil: Organisation des Bundes. 
Dem Kaiser steht das Recht zu, innerhalb des Bundes- 
gebietes Festungen anzulegen mit der in Reichs-Verfassung Art. 65 
bezeichneten Modifikation bezüglich der Geldbewilligung. 
b) Bezüglich der Kriegsmarine. 
Dem Kaiser steht der Oberbefehl über die Kriegsmarine des 
Reiches zu. Ihm liegt auch die Organisation und Zusammensetzung 
derselben ob; er ernennt die Offiziere und Beamten der Marine. 
Sowohl diese als die Mannschaften haben dem Kaiser den Eid zu 
leisten (Reichs-Verfassung Art. 53). Der Kaiser hat das Recht Aus- 
führungs-Verordnungen betreffs der Kriegsflagge zu erlassen (Erlaß 
vom 2. März 1886, S. 59 und Sten. Bericht 1867, S. 526). Er ernennt 
den Ausschuß des Bundesrats für das Seewesen (Reichs-Verfassung Art. 8). 
) Gegenüber dem Ausland. 
Der Kaiser hat im Namen des Reiches Krieg zu erklären und 
Frieden zu schließen (Reichs-Verfassung Art. 11, Abs. 1). 
Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches ist die 
Zustimmung des Bundesrats erforderlich, es sei denn, daß nach dem 
Ermessen des Kaisers ein Angriff auf das Bundesgebiet (oder Schutz- 
gebiet) oder dessen Küsten erfolgt (Reichs-Verfassung Art. 11, Abs. 2). 
Ueber diesen Absatz 2 äußerte sich der Bundeskanzler in der Sitzung 
des norddeutschen Reichstags, zweite außerordentliche Session vom 
5. Dezember 1870, Prot. S. 70: „Dieser Zusatz läßt sich unzweifel- 
haft charakterisieren als eine Verstärkung des föderativen Elements 
in der Bundesverfassung. Sein wirklicher Charakter liegt aber in 
etwas Anderem. Je mächtiger der Bund wird, je weiter er sich aus- 
dehnt, um so mehr ist es von Interesse, auch dem Auslande gegen- 
über in der Bundesverfassung selbst zum Ausdruck zu bringen, was 
der Bund ist, nämlich ein wesentlich defen sives Staatswesen.“ 
2. Bezüglich des Eisenbahnwesens. 
In Notstandsfällen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung 
der Lebensmittel, kann der Kaiser einen niedrigeren Spezialtarif für 
den Transport der betreffenden Notstandsartikel bei den Eisenbahnen 
einführen (Reichs-Verfassung Art. 46, Abs. 1). 
3. Bezüglich des Steuerwesens. 
Der Kaiser überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens 
durch Reichsbeamte, welche er den Zoll= oder Steuerämtern und den 
Direktiobehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Aus- 
schusses des Bundesrates für Zoll= und Steuerwesen, beiordnet. 
Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher 
Teuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, 
für den Transport, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten 
und Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfnis entsprechenden, von dem 
Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundesrats-Ausschusses festzu- 
stellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch nicht unter
	        
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