II. Abschnitt.
Die Derfassungs-Urkunde des Deutschen Reiches.
Da Verfassungs-Recht, wie solches zwischen dem Norddeutschen
Bunde und den süddeutschen Bundesstaaten vereinbart worden
war, war in den verschiedenen Verträgen enthalten und in den dazu
aufgenommenen Schlußprotokollen in manchen Beziehungen noch des
Näheren erläutert.
Dieses Zerstreutsein war aber ein Uebelstand und machte es
nötig, den Inhalt in einem Dokument zusammenzufassen. Dem-
gemäß wurden die Vereinbarungen einheitlich redigiert ohne materielle
Aenderung des festgestellten Rechts und es hat die Verfassungs-Urkunde
d. h. der Verfassungs-Vertrag hiedurch nachstehenden Wortlaut erhalten.
In Ansehung der in der Verfassungs-Urkunde enthaltenen Aus-
drücke: Bund, Bundesgebiet, Bundesrat, Bundesglieder, ist hier schon
zu erwähnen, daß in der Reichstagssitzung vom 1. April 1871
(Prot. S. 94 f.) eine Redaktionsänderung dahingehend beantragt worden
war, diese Ausdrücke in Reich, Reichsgebiet u. s. w. zu ändern, da ja
in den Eingangsworten gesagt sei: „Dieser Bund wird den Namen
Deutsches Reich führen“, daß jedoch der Bundeskanzler hierauf zunächst
der Auffassung entgegengetreten ist, als seien diese Ausdrücke willkürlich
oder zufällig. Beide Ausdrücke seien zwar zulässig und hätten eine
wesentliche, prinzipielle Bedeutung nicht, sondern nur eine sprachliche.
Die verbündeten Regierungen seien aber bei der Feststellung der Aus-
drücke davon ausgegangen, den Ausdruck „Reich“ nur da zu gebrauchen,
wo von einem Inbegriff der staatlichen und hoheitlichen Attribute die
Rede ist, welche auf die Gesamtheit übertragen worden sind, dem
Ausdruck „Bund“ dort seine Anwendung zu belassen, wo mehr die
Rechte der einzelnen Staaten, der Bundesglieder, in den Vordergrund
treten. Die verbündeten Regierungen hätten geglaubt, daß auch da,
weil die Souveränetät, die Landeshoheit, die Territorialhoheit bei
den einzelnen Staaten verblieben ist, bei Bezeichnung des Gesamt-
geeteß der Begriff des Bundesverhältnisses in den Vordergrund zu
ellen sei.