26 Erster Teil: Geschichtl. Einleitung und die Verf.-Urkunde.
so daß weder Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder
Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die gleiche Verteilung der Lasten
sich in natura nicht herstellen läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu
schädigen, ist die Ausgleichung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im
Wege der Gesetzgebung festzustellen.
Artikel 59.
1. Jeder wehrfähige Deutsche gehört fieben Jahre lang, in der Regel vom
vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere —
und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier Jahre in der
Reserve — und die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr an. In denjenigen
Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als zwölfjährige Gesamtdienstzeit ge-
setzlich war, findet die allmähliche Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem
Maße statt, als dies die Rücksicht auf die Kriegebereitschaft des Reichsheeres zuläßt.
Abgeändert (siehe nun im Abschnitt „Kriegswesen“, Kapitel Wehrpflicht).
2. In Bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich
diejenigen Bestimmungen maßgebend sein, welche für die Auswanderung
der Landwehrmänner gelten.
Artikel 60.
1. Die Friedens-Präsenzstärke des Deutschen Heeres wird bis zum 31. Dezem-
ber 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867 normiert und wird pro
rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt.
2. Für die spätere Zeit wird die Friedens-Präsenzstärke des Heeres im
Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt.
Artikel 61.
1. Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Reiche die
gesamte Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl
die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Er-
gänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, namentlich
also das Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militär-
Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehren-
gerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit,
Servis= und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flurbeschädig-
ungen, Mobilmachung u. s. w. für Krieg und Frieden. Die Militär-
Kirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen.
2. Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des Deutschen
Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgesetz dem Reichstage und dem
Bundesrate zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorgelegt werden.
(Geschehen; s. Militärgesetz vom 2. Mai 1874, S. 45.)
Artikel 62.
1. Zur Bestreitung des Auswandes für das gesamte Deutsche Heer und die
zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31 Dezember 1871 dem
Kaiser jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf und zwanzig
Tdaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Art. 60 beträgt, zur
Verfügung zu stellen. (Vergl. Abschnitt XII und Sten. Ber. 1867 I. S. 600,
1867 II. S. 281).
2. Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beiträge von den einzelnen
Staaten des Bundes zur Reichekasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben
wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke so lange
festgehalten, bis sie durch ein Reichsgesetz abgeändert ist.
(Abgelaufen und durch das Gesetz vom 9. Dezember 1871 S. 111 erledigt.)