XXXVII. Abschnitt: Das Finanzwesen. 785
Uebrigens ist auch dieses beschränkte Budgetrecht hinsichtlich der
Ausgaben doch noch weiteren Beschränkungen unterworfen.
Dem Reichstag kommt anerkanntermaßen nicht zu, vermittelst
seines Budgetrechts einseitig, z. B. die Höhe der Streitkräfte, zu be-
stimmen. (Sten. Bericht 1876 1 S. 634.)
Andererseits sind aber auch die verbündeten Regierungen nicht
berechtigt, einseitig neue Behörden- oder Beamtenstellen, sowie die Er-
höhung von Beamtengehalten vorzunehmen ohne vorherige Bewilligung
des Reichstags, sei es in Form der Genehmigung der diesbezüglichen
Kustionen im Etat oder in der Form der Erlassung eines besonderen
reditgesetzes. (Vergl. Sten. Ber. 1867 Anl. 20 Z. 4 S. 62 und Sitzung vom
27. September 1867 S. 128.)
Bezüglich der Frage, wie es zu halten wäre, wenn ein Etatsgesetz
aus irgend einem Grunde nicht zustande käme, so erscheint hier zweifel-
los, daß der Bundesrat befugt ist, nach Reichs-Verfassung Art. 70
zunächst die Ueberschüsse der Vorjahre, sowie die gemeinschaftlichen Ein-
nahmen an schon verwilligten Zöllen, gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern
und sonstigen Reichssteuern und aus dem Post= und Telegraphenwesen
zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben zu verwenden, und in-
soweit die gemeinschaftlichen Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt
würden, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten in Höhe des Budgets
nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen.
Hier dürfte die Rede Bismarcks im preußischen Landtag im Jahre
1863, wie auf Art. 5, so auch auf Art. 60 der Reichs-Verfassung
analoge Anwendung finden. Dieselbe lautet:
„Die Verfassung hält das Gleichgewicht der 3 gesetzgebenden Ge-
walten in allen Fragen, auch in der Budget-Gesetzgebung, durchaus
fest. Keine dieser Gewalten kann die andere zum Nachgeben zwingen.
Die Verfassung verweist daher auf den Weg der Kompromisse zur
Verständigung. Ein konstitutionell erfahrener Staatsmann hat ge-
sagt, daß das ganze Verfassungsleben jederzeit eine Reihe von Kom-
promissen sei. Wird der Kompromiß dadurch vereitelt, daß eine der
beteiligten Gewalten ihre eigene Ansicht mit doktrinärem Absolutis-
mus durchführen will, so wird die Reihe der Kompromisse unter-
brochen, und an ihre Stelle treten Konflikte, und Konflikte werden,
da das Staatsleben nicht stillzustehen vermag, zu Machtfragen. Wer
die Macht in Händen hat, geht dann in seinem Sinne vor, weil das
Staatsleben auch nicht einen Augenblick stillstehen kaun..
Die Bewilligung der Ausgaben enthält zugleich die Bewilligungs-
pflicht hinsichtlich der dazu weiter erforderlichen Einnahmen.
Das Bewilligungsrecht des Reichstags ist daher auch hinsichtlich
der Einnahmen beschränkt auf die Verwilligung neuer Einnahmen.
Die in Reichs-Verfassung Art. 70 bezeichneten Einnahmen unterstehen
der jährlichen Bewilligung nicht. Der Reichstag hat in dieser Beziehung
nur eine Monitur. (St. B. 67 S. 247.)
Bock, Staatsrecht. 50