II. Abschnitt.
Die Reichsgesetzgebung.
1. Kapitel.
Allgemeine Grundsätze.
N# Gesetz im Allgemeinen versteht man alle Rechtsnormen, ohne
Rücksicht auf ihren Entstehungsgrund oder ihre äußere Bezeich-
nung. Dies gilt auch dann, wenn von reichsgesetzlichen Vorschriften
überhaupt gesprochen wird. Allein unter Reichsgesetz im engeren
Sinne werden nur die Festsetzungen der reichsgesetzgebenden Faktoren,
welche als solche ausdrücklich bezeichnet (tituliert) sind, verstanden.
Es giebt übrigens auch solche Festsetzungen, die zwar von den reichs-
gesetzgebenden Faktoren erlassen, jedoch nicht als „Reichsgesetz“ bezeichnet
find, die aber dennoch Reichsgesetzgualität haben. Dies ist der Fall
bei dem „Reichshaushalts-Etat“ (Reichs-Verfassung Art. 69) und der so-
genannten Decharge (Reichs-Verfassung Art. 72), sowie bei den Staatsver-
trägen (Reichs-Verfassung Art. 11).
2. Kapitel.
Die Organisation der Reichsgesetzgebung.
I. Die gesetzgebenden Faktoren.
Die Reichsgesetzgebung erfolgt durch den Bundesrat und
den Reichstag (Reichs-Verfassung Art. 5, Satz 1). Beide haben hierin
rechtliche Freiheit und Gleichberechtigung. Die Uebereinstimmung der
Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze er-
forderlich und ausreichend (Reichs-Verfassung Art. 5, S. 2), ohne daß
es der Zustimmung eines weiteren Faktors bedürfte.
Von letzterem Grundsatze gelten folgende Ausnahmen:
1. Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegs-
marine und die im Art. 35 der Reichs-Verfassung bezeichneten