Full text: Wittelsbachische Regesten.

XI 
Sollte man wirklich den unterschied zwischen einer literarischen bearbeitung eines handschriftenschatzes, die 
aufgabe der wissenschaft überhaupt ist, und den einer einfachen verzeichnung seines inhaltes verkannt haben, 
die allein bibliothekarische aufgabe ist, in mässiger zeit beschafft werden kann, und der gelehrten forschung 
genügt? Nun haben die bibliotheken zu Erlangen und zu Giessen gleich der rathsbibliothek zu Leipzig ihre ge- 
druckten kataloge, welche alle drei brauchbar, deren einer vortrefflich ist, während in München, wo er am 
nöthigsten wäre, ein solcher behelf fehlt, und nur dasienige was Pertz vor mehr als zwanzig iahren aus unzu- 
reichenden hülfsmitteln flüchtig auszog und 1839 im Archiv der Ges. 7,113—128 drucken liess, dem historiker 
spärliche führung gewährt. Nach der kenntniss der bisherigen vorarbeiten, soweit ich dieselbe erlangen konnte, 
wäre es vielleicht am besten dieselben ganz auf sich erliegen zu lassen, und einen neuen katalog zu beginnen, 
denselben aber auch sofort wie er entsteht abdrucken zu lassen. Es würde genügen, wenn man sich nach mass- 
gabe der handschriftenkataloge des britischen museums darauf beschänkte format stoff alter blattzahl (ob mehr 
als eine columne, ob mit miniaturen) und herkunft anzugeben, dann den inhalt, dergestalt dass bei bekannten 
gegenständen nur der titel, bei minder bekannten auch anfang- und schlussworte, und was sich sonst unmittel- 
bar als kennzeichen darbietet (wie z. b. bei geschichtsbüchern anfangszeit und schlusszeit), mitgetheilt ivürde. 
Ein solches verzeichniss würde zugleich die controlle für die erhaltung des bestandes, und zwischen demselben 
und dem forscher, auch dem entfernten, die vermittlung iener erschöpfenden benutzung sein, wie sie die wissen- 
schaft verlangt, wie sie jetzt aber ohne gedruckten catalog gar nichtmöglich ist. 
In bezug auf die archive besteht in Baiern, ausser den verlusten, die sie durch nachlässigkeit und untreue 
ihrer beamten noch bis in die neusten zeiten erlitten haben *), der übelstand der zersplitterung in mehrfacher 
*) In der Neuen Münchener Zeitung, einem regierungsorgan, stand nachfolgende nachricht aus Nürnberg vom 
30 iuni 1854: „Aus dem hiesigen geheimen k. Archive, das schon in früherer zeit bedeutende verluste durch verun- 
treuungen der Jabei angestellten (!!!) erlitten hat, sind neuerdings wieder documente und acten verschleppt (?) worden, 
und wurde, alsdieszu tage kam, der archivar Roth suspendirt und untersuchung eingeleitet. Der bis ietzt ermittelte schaden 
ist erheblich, der materielle erlös, der daraus gezogen wurde, läuft auf eine bedeutende summe hin. Man vermisst laut 
der bekanntmachung des k. untersuchungsrichters am hiesigen kreis- und stadtgerichte: 109 sogenannte (?) kaiserdiplome, 
kaiserliche privilegien und freiheiten der reichsstadt Nürnberg enthaltend; 114 urkunden, verschiedene angelegenheiten 
der reichsstadt Nürnberg und ihrer angehörigen betreffend; 13 documente über hiesige klosterverbältnisse und zur Rieter- 
schen stiftung gehörig, 19 urkunden aus dem ehemaligen Ansbacher archiv, verschiedene schuldverschreibungen, con- 
cessionen, verträge der markgrafen von Brandenburg und kaiscrliche Ichenbriefe enthaltend; 12 urkunden aus dem 
archive der vormaligen reichsstadt Windsheim über kaiserliche bestätigungsbriefe und bündnisse (ces werden wohl diese 
briefe selbst gewesen sein) ; 27 manuscripte und seelbücher (?), verschiedene verhältnisse der reichsstadt Nürnberg und 
der Deutschherren betreffend, darunter auch ein todtenbrief (todtenbuch?) von 1371—73; 39 handzeichnungen und 
kupferstiche ; 31 stück kupferstichplatten, darunter von dem bekannten kupferstecher Lautenbach die ansicht von Nürn- 
berg usw.: 3 bände alter musikalien, und viele leere pergamentblätter aus büchern geschnitten. Auch fehlen 24 stück 
ganz goldne streichnadeln (?), wie sie sich in den wichtigen mittelalterlichen urkunden stets finden (sollten goldbullen 
gemeint sein?). Alle die fehlenden urkunden und bücher waren auf pergament geschrieben und mit dem archivzeichen 
verschen. (Pergament, namentlich altes, ist für die goldschläger hier und in Fürth ein sehr gesuchter artikel.) Vermisst 
werden auch noch 332 acten verschiedenen betrefls, auf deren papierumschlage gleichfalls die archivzeichen stehen. 
(Vergl. auch einen dieselbe veruntreuung betreffenden artikel in der Augsb. Allg. Zeitg vom 2 iuli 1854.) — Schon 
früher im iahr 1843 brachten die zeitungen folgenden artikel aus Zweibrücken: „Vor dem assisengerichte der Pfalz wurde 
in fünf sitzungen vom 15 bis 19 febr. die anklage wegen der von dem archivdiener Kanzler in Speier verübten entwen- 
dung von documenten aus dem kreisarchiv verhandelt. Kanzler selbst war schon vor der untersuchung nach Frankreich 
entflohen, von wo er sich nach America einschiffte. Die anwesenden angeklagten waren schreibgehülfe Wilde. handels- 
mann llolzmann, kaufmann Reinig und tünchergeselle Henkel, welche theils zur entwendung 4er urkunden behülflich 
gewesen sein, theils dieselben von Kanzler gekauft haben sollten. Sie wurden sämmtlich freigesprochen, während gegen 
Kanzler das contumacialverfahren eingeleitet ist. Die entwendeten archivalien sind grösstentheils von hoher wichtig- 
keit; cin nach Mannheim verkauftes quantuım von 50 bis 60 centnern wurde durch vermittlung der badischen behörden 
zurückgeliefert, andere sind in Grünstadt Otterstadt und Mutterstadt mit beschlag belegt worden.« — Noch früher hat das 
erzbischöflich Mainzische archiv ähnliche verluste erlitten. Die wichtigen historischen handschriften, die es noch zu 
Johannis zeiten enthielt, sind verschollen. Verhältonissmässig nur wenige urkunden aus demselben finden sich in den 
Beg. Boic. wieder; andere pergamente desselben zerstreuten sich glaubhaften nachrichten zufolge von Aschaffenburg 
aus in privathände. Im iahr 1833 sagte mirzu Nürnberg der damalige dortigearchivar (der aber später den bairischen staats- 
dienst verliess oder verlor und allerhand rollen spielte), er habe amtlich 150 centner aus dem mainzischen archiv als 
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