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als kontrahierende Teile werden nämlich nicht alle einzelnen Staaten,
sondern der König von Preußen im Namen des norddeutschen Bundes
und die vier süddeutschen Fürsten aufgeführt. Die ausschließliche Er-
wähnung dieser findet aber ihre Erklärung in dem Umstande, daß als
nächste rechtliche Basis der jetzigen deutschen Reichsverfassung die zwischen
dem norddeutschen Bunde einerseits und den süddeutschen Staaten
andererseits stattgefundenen vertragsmäßigen Vereinbarungen erscheinen.
Da aber diese Vereinbarungen nicht die Gründung des Bundes, sondern
den Eintritt der süddeutschen Staaten in denselben zum Gegenstande
gehabt haben, so darf aus dem Umstande, daß die früheren Mitglieder
nicht einzeln aufge zählt, sondern unter einen Kollektivbegriff zusammen-
gefaßt sind, nicht gefolgert werden, daß nur unter den im Eingange
ausdrüchlich erwähnten Teilen ein vertragsmäßiges Verhältnis existiere.
Auch nach Auffassung der Reichsverfassung selbst erscheinen als Glieder
des durch den Eingang der Verfassung geschlossenen Bundes fortwährend
alle einzelne Staaten bezw. Regierungen.
Deutlich tritt uns so aus der Geschichte seines Werdens die recht-
liche Natur des jungen deutschen Reiches entgegen. Die Ansicht Max
v. Seydels, wonach das Reich dauernd auf völkerrechtlichen Verträgen
souverän gebliebener Staaten beruht, somit keinen Bundesstaat, sondern
mur einen Staatenbund repräsentiert, muß als irrig zurückgewiesen
werden.
Es haben somit sämtliche Einzelstaaten die Souveränität, welche
sie im deutschen Bunde völlig bewahrt haben, nunmehr an das deutsche
Reich abgetreten und sind der Reichsgewalt unterworfen.
Das Unterordnungsverhältnis der Einzelstaaten zum Ganzen
findet seinen schärfsten Ausdruck in der Gehorsamspflicht der ersteren.
Diese ergibt sich daraus, daß die Einzelstaaten nicht bloße Bestandteile
des Ganzen sind, sondern eine selbständige Willens= und Handlungs-
fähigkeit besitzen. Es genügt nicht, daß die Reichsgesetze im ganzen
Reichsgebiete von Rechtswegen gelten; die Einzelstaaten müssen staat-
liche Handlungen behufs ihrer Durchführung vornehmen. Die Einzel-
staaten sollen die Bundesgesetze befolgen, sie können auch dieselben
verletzen. Während im Einzelstaate nur die einzelnen Untertanen die
Gesetze durch Nichtbefolgung oder positive Zuwiderhandlung verletzen
können, kann im Bundesstaate das Gleiche geschehen von Seite der
Gliedstaaten, weil sie auch Personen im Rechtssinne sind. Es ist dem-
nach die Exekution, welche dem Reiche aufgrund des Art. 19 der
Reichsverfassung zusteht, der Ausdruch der Souveränität, der Ober-
hoheitsrechte des Reiches über die Gliedstaaten, der Reichshoheit. )2
1) Gleiche Ansicht Rönne S. 60.
2) Seydel S. 188.
Trieps S. 115.
Hänel S. 314.
Schulze Ö. 56.
Wunder SÖ. 55.