Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

222 Sachsen während des Befreiungskriegs von 1813. 
war und sich jetzt mit dieser in Napoleons unmittelbarer Nähe 
bei der Quandtschen Tabaksmühle befand, blieb ohne alle Kunde 
von dem Vorgefallenen und wurde mit anderen Truppen zu 
Poniatowski's Heerestheil nach Lößnig beordert. 
Der Übergang, ohne planmäßige Vorbereitung, bloß im 
Drange der häöchsten Noth beschlossen und ausgeführt, war nur 
unvollständig gelungen und damit die Hoffnung seiner Urheber, 
durch Erhaltung des Corps als geschlossenen Truppenkörpers 
bei der Entscheidung über Sachsens Schicksal ein Gewicht in 
die Wagschale werfen zu können, vereitelt. Eben weil der 
Übergang nicht erreichte, was er sollte, hat er später manche 
barte Beurtheilung erfahren, härter als unmittelbar nach der 
That, wo sich nicht einmal findet, daß sich der König mißbilli- 
gend über dieselbe ausgesprochen habe. Niemand aber wird 
jetzt mehr einen Stein auf jene Männer werfen, die, von den 
reinsten Absichten beseelt und von der Überzeugung durchdrungen, 
nur so König und Vaterland retten zu können, ihr Heiligstes 
zum Opfer brachten und der höheren Pflicht gehorchend die 
schwerste Schuld auf sich luden, die es für den Soldaten gibt, 
indem sie auf dem Schlachtfelde ihre Reihen verließen und 
zum Feinde übergiengen. Nicht sie verdienen den Vorwurf 
sondern Diejenigen, welche sie vor diese grausame Alternative 
gestellt hatten. 
In der Umgebung des Königs scheint völlige Unkunde über 
den wahren Stand der Dinge geherrscht zu haben. Der König 
war wie gelähmt und erwartete unbeweglich, was das Schicksal 
über ihn verhängen würde. Eine in der Nähe einschlagende 
Granate trieb ihn mit seiner Familie in das gewölbte Erd. 
geschoß, wo er bis zum Abend blieb. Den vom Schlachtfelde 
zurückkommenden General v. Zeschau empfing er gütig, be- 
stätigte den Major v. Holleufer in dem Commando über die 
wenigen ihm verbliebenen Truppen und behielt Zeschau bei 
sich ). Napoleon fuhr fort den König mit seinen Siegesbot- 
schaften zu täuschen; erst am späten Abend dämmerte diesem durch 
1) Aster II, 226.
	        
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