Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Banner, Landwehr und stehendes Heer. 219 
wehr, die durch einen Ausschuß unter Vorsitz des Generals 
v. Vieth und unter diesem durch Kreisausschüsse geleitet wurde. 
Dieselbe sollte theils ebenfalls aus Freiwilligen, theils unter 
Zulassung gewisser Ausnahmen 1) aus allen wehrbaren Männern 
von 18 bis 45 Jahren, soviel zur Ergänzung der ersteren 
nöthig, bestehen. Ihre Offiziere wurden vom Gouvernement 
ernannt, bis zum Hauptmann auf Vorschlag der Kreisausschüsse, 
die höheren auf den des Generalstabschefs. Sollten jedoch Besitzer 
adeliger Güter oder höhere Staatsdiener bei der Wahl über- 
gangen werden, so sollten diese in den Landsturm versetzt werden, 
da es nicht die Absicht sei die bürgerlichen Verhältnisse zu 
stören. Auch die Landwehr hatte sich selbst zu kleiden, Waffen 
und Munition erhielt sie vom Generalgouvernement, außerhalb 
ihres Kreises Besoldung und Verpflegung des stehenden Heeres. 
Selbst von den Kanzeln wurde zur thätigen Theilnahme an 
der allgemeinen Landesbewaffnung aufgefordert, doch gereichte 
natürlich die große Bevorzugung des Banners der Landwehr 
vielfach zum Nachtheil. Der Landsturm kam überhaupt nicht 
zu Stande. 
Die Reorganisation des stehenden Heeres, welche in der 
Gegend von Merseburg stattfand, sowie der Oberbefehl über 
dasselbe war von den Verbündeten dem General Thielmann 
übertragen worden. So viel Befähigung auch dieser durch 
Geschick, Fachkenntniß und Energie für diesen Posten besaß, so 
machte doch die Erinnerung an das Vergangene seine Wahl zu 
einer nicht eben glücklichen und Thielmann selbst gab weder 
durch die Annahme derselben noch auch durch die Art seines 
Auftretens als nunmehriger Befehlshaber Beweise besonderen 
Zartgefühls. Die hochgesteigerte Vornehmheit und der kalte 
Stolz, womit er den Offizieren gegenübertrat, die Deutschthümelei, 
die dem früheren enthusiastischen Verehrer Napoleons sonderbar 
stand, vor allem die verletzende Bitterkeit, mit der er sich 
über den König von Sachsen aussprach, endlich die Art, wie 
er sich des ihm von Alexander eingeräumten Rechtes, bis zum 
1) u. a. der Schäfer auf den Schäfereien, „wo noch Schafe seien“.
	        
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