361 Sachsen von 1815—1833.
jedermann zugänglich, eine durch und durch bureaukratische
Natur, war er ganz an seinem Platze, wo es sich darum han-
delte, das zerfahrene Staatswesen wiedereinzurichten und die
Verwaltung des verarmten Landes in Ordnung zu halten.
Damit war aber auch der Kreis seiner Befähigung abgeschlossen.
Ohne jegliches Verständniß für die Ideen der Zeit, ohne Maß-
stab für ihre Bedürfnisse, wie er denn während seines ganzen
Bildungsganges von der Welt so gut wie nichts gesehen hatte,
ohne jede Weite staatsmännischen Horizontes reichte sein Blick
nie über die Grenzpfähle Sachsens hinaus, daher er auch keines-
wegs der Mann nach dem Herzen jener Cotterie war, die noch
immer von einer Bewegung in Frankreich und Polen einen
Umschlag zu Gunsten Sachsens erhoffte und ihn darum gern
durch den Grafen Senfft-Pilsach verdrängt hätte. Ein ab-
gesagter Feind allen politischen Fortschrittes, besaß er doch
Scharfblick genug um den Nutzen des Neuen für seine bedeu-
tenden industriellen Unternehmungen herauszufinden. Mit großer
Consequenz verstand er diese Enge und Geistlosigkeit der eigenen
Weltanschauung dem ganzen Beamtenthum aufzuprägen, und so
brachte er es dahin, daß blindes Vertrauen auf eine patriar-
chalische, wohlmeinende Regierung und in die Unfehlbarkeit einer
mechanischen Geschäftsroutine, Zurücksetzung des Talents und
Bevorzugung der sich gefügig unterordnenden Mittelmäßigkeit,
daß Gleichgiltigkeit gegen das öffentliche Leben und zahme Lei-
denschaftlosigkeit, endlich und nicht zum mindesten Abscheu gegen
alles Nichtsächsische und particularistische Verbissenheit die her-
vorstechendsten Züge des sächsischen Wesens wurden und jenes
farblose Einerlei erzeugten, welches das Hauptmerkmal der
Zeit von 1815 bis 1830 ausmacht.
Freilich, daß die alte complicierte Staatsmaschine unter den
veränderten Verhältnissen nicht ganz in der alten Schwerfällig-
keit fortarbeiten könne, verkannte Einsiedel um so weniger, als
er selbst schon im Laufe des Jahres 1813 Einleitung zu einigen
der dringendsten inneren Verbesserungen getroffen hatte; allein
wie engbegrenzt auch seine Reformideen waren, so fanden sie
doch eine unübersteigliche Schranke an den festgewurzelten An-