Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

König Antons Regierungsantritt. 415 
kräftige Hand nunmehr die eingerostete Staatsmaschine in 
schnelleren Gang setzen werde, erfüllte sich nicht; Prinz Anton 
bestieg den Thron. Nicht ungerechtfertigt erschien der Eindruck 
schmerzlicher Enttäuschung, den diese Nachricht im Volle hervor- 
brachte, wenn man erwog, daß der neue König, ursprünglich 
für den geistlichen Stand bestimmt, zwar lebhaften Geistes und 
wohlwollenden Herzens, aber mangelhaft erzogen und durch 
seines Bruders Eifersucht von jeder Theilnahme an den Staats- 
geschäften fern gehalten, von dem, was dem Staate noth thue, 
nicht die geringste Vorstellung habe. Überzeugt, daß das Land 
von seinem Bruder gut und gerecht regiert worden sei, meinte 
er seine Pflicht gar nicht besser erfüllen zu können, als wenn 
er dessen „weise und 58 Jahre hindurch das sächsische Volk 
beglückende, selbst bei den härtesten Prüfungen probehaltig er- 
fundene Regierungsmaxime ebenfalls befolge und möglichst alles 
beim Alten lasse“, daher er beim Regierungsantritt sein Erstes 
sein ließ, dem Cabinetsminister und den Geheimräthen zu ver- 
sichern, wie er, der selbst schon im Greisenalter stehend so spät 
zum Throne berufen worden, sich ganz auf ihre Treue ver- 
lasse ). Graf Einsiedel gab seine anfängliche Absicht von 
seinem Posten zurückzutreten auf Bitten der Königin wieder 
auf, jedoch nur unter der Bedingung, daß in den leitenden 
Regierungsprincipien keine Änderung vorgenommen werde, da 
er es für Gewissenspflicht halte, während der voraussichtlich 
kurzen Regierung König Antons an der Verfassung nichts zu 
ändern, sie vielmehr dessen Nachfolger unverändert zu über- 
liefern und es sodann dessen freiem Ermessen und Willen zu 
überlassen, ob und was hiervon zu ändern sei 2). Also die 
auch von ihm als unerläßlich erkannten Reformen galten ihm 
doch für nichts mehr als ein von dem Fürsten je nach Gut- 
dünken zu gewährendes oder auch zu versagendes Geschenk; 
kurzsichtig glaubte er den Zeitpunkt für dieselben beliebig hin- 
ausschieben und von der zufälligen Lebensdauer eines einzelnen 
Menschen abhängig machen zu können! 
1) Augsb. Allg. Zeitung 1827, Beil. Nr. 132, officiöser Artitel. 
2) Archio für sächs. Gesch. I, 159.
	        
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