Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

521 Sachsen von 1833—1848. 
Der Landtag hinterließ den Eindruck, daß der unbedingte 
Glaube an die Unübertrefflichkeit der Verfassung von 1831, 
die alte Harmonie zwischen Regierung und Ständen im 
Schwinden seien, daß der Geist zeitgemäßen Fortschrittes aus 
ersterer zu entweichen beginne. Die Klagen über das Zuviel- 
regieren, insbesondere über das Verfahren der Kreicdirectionen, 
über die Überzahl von Beamten, die bereits 1837 einen An- 
trag des Prinzen Johann auf Beseitigung entweder der Kreis- 
directionen oder der Amtshauptleute hervorgerufen hatte, kehrten 
auf dem letzten Landtage um so lauter wieder, je mehr sich die 
Bevorzugung des Adels bei Besetzung der höheren Beamten- 
stellen bemerklich machte. So lange es sich vornehmlich um 
die gegenseitige Feststellung der gutsherrlichen und der bäuer- 
lichen Interessen handelte, hatten die bäuerlichen und städti- 
schen Abgeordneten hingereicht um in der Kammer das Gleich- 
gewicht gegen die Rittergutsbesitzer zu halten. Seitdem aber 
jene Verhältnisse in der Hauptsache ausgeglichen waren und 
beide, Rittergutsbesitzer und Bauern, überhaupt den ländlichen 
Grupdbesitz repräsentierten, wurde desto augenfälliger der 
Mangel einer ausreichenden Vertretung des Gewerb= und 
Handelsstandes 1), d. h. desjenigen Standes, dessen Selbst- 
gefühl durch den wachsenden Wohlstand, die sich verbreitende 
Intelligenz, die häufigere Berührung mit Fremden, durch die 
großartigen Erfolge seiner Unternehmungen in der letzten Zeit 
außerordentlich erstarkt war. Nicht trotz sondern wegen der 
gewaltigen Fortschritte der materiellen Entwicklung begann sich 
Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen, ein Gefühl 
der Auflehnung gegen die bureaukratische Bevormundung zu 
verbreiten. Die Offentlichkeit der ständischen Verhandlungen 
und der städtischen Gemeindevertretungen wurde eine Quelle 
politischer Belehrung. Sehr zurück war noch die Presse; ein 
Antrag Richters 1833 auf Freigebung des politischen Zeitungs- 
1) Verkehrt genug petitionierten deshalb 1839 die Kunst= und Ge- 
werbvereine zu Zittau. Leipzig, Annaberg, Zschopau und Wolkenstein um 
eine besondere Vertretung des städtischen Handwerkerstandes.
	        
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