Landtag von 1842/43. 531
Es war weitaus der bedeutendste Sieg, den der Liberalis-
mus noch in Sachsen erfochten hatte. Und doch, wie weit
war diese Kammer von einer tendenziösen Opposition entfernt,
wo es sich nicht um praktische Übelstände bandelte! Ruge's und
Wiegands Beschwerde wegen Unterdrückung der Jahrbücher
wurde trotzdem, daß Oberländer als Berichterstatter die un-
bedingte Freiheit wissenschaftlicher Erörterung mit größter
Wärme verfocht, durch eine Majorität von 52, von denen die
wenigsten wußten, was in den incriminierten Schriften stand,
zurückgewiesen, und dies am Vorabend der Berathung eines
Gesetzes, welches den auf der Presse lastenden Druck erleichtern
sollte! Noch immer war Sachsen ohne Preßgesetz, da der letzte
Landtag zur Erledigung des ihm vorgelegten keine Zeit gehabt
hatte, noch immer die Presse, abgesehen von den kaum nennens-
werthen Erleichterungen, die ihr die Verordnung vom 11. März
1840 gewährte 1), der Willkür der Polizei und der Censur,
der Confiscation ohne Urtheil, der Unterdrückung auf bloßen
Ministerialbefehl hin, selbst dem Unwesen der Nachcenfur preis-
gegeben. Eine nicht publicierte Instruction von 1836 wies die
Censoren an, über Fälle von besonderer Schwierigkeit an das
Censurcollegium zu berichten, damit dieses nach Umständen die
Unterdrückung beantragen könne. Noch 1842 verbot das
Ministerium des Inneren den Localblättern Artikel über aus-
wärtige Politik, dafern sie nicht vorher in der Leipziger Zeitung
gestanden, aufzunehmen; zugleich wurden die Censoren an-
gewiesen, anstößige Artikel nicht nur zu streichen sondern auch
anzuzeigen. Überraschen konnte es daher nicht, wenn das gegen-
wärtig vorgelegte Gesetz wegen Censurbefreiung der über
zwanzig Bogen starken Druckschriften, obgleich es diese Er-
leichterung an Bedingungen knüpfte, welche dieselbe so gut wie
aufhoben, sich als die Erfüllung der in § 35 der Verfassungs-
1) Dieselben bestanden darin, daß sie öffentliche Anschläge, bereits
approbierte Andachts- und Schulbücher, vie biblischen und symbolischen
Bücher, Sammlungen inländischer Gesetze, griechische und römische Classiker
und die Kirchenväter in der Ursprache von der Censur befreite, und schon
damit war eigentlich das Bundesgesetz Überschritten!
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