beipzig an der Spitze der Bewegung. 567
zusammenziehungen in der Nähe der Stadt, von der Besetzung
der Grenze durch preußische Truppen. Einstimmig erklärten
die Stadtverordneten, daß, so lange diese militärischen Maß-
regeln fortdauerten, die Wiederherstellung des Vertrauens
zwischen Regierung und Unterthanen gänzlich unmöglich sei.
Bürgermeister Groß, unfähig dem Sturme Halt zu gebieten,
legte sein Amt nieder (st. 1866). Wie leicht konnte die Leitung
der Bewegung den Händen der Gemäßigten entgleiten; unreine
Demagogen drohten bereits mit einem Massenzug nach Dresden
um den König zur rückhaltlosen Gewährung der Volkswünsche
zu zwingen, was die ganze hauptstädtische Communalgarde unter
die Waffen brachte um nöthigenfalls die Eindringlinge mit
Gewalt abzutreiben.
So standen die Dinge, als am 1 1ten Minister v. Carlowitz
als königlicher Commissar in Leipzig eintraf. Er überbrachte
die Forderung, daß die Stadtverordneten sich aufregender po-
litischer Reden fortan enthalten, der Rede= Ubungsverein und
die wiederaufgelebten Schützenhaus-Versammlungen jeder poli-
tischen Agitation fernbleiben, das lärmende Umherziehen größerer
Volksmassen aufhören, der Zug nach Dresden schlechterdings
unterbleiben solle. Der Eindruck dieser Botschaft, die statt
der gehofften Zugeständnisse nur Forderungen brachte, war
schmerzliche, unwillige Enttäuschung. Noch denselben Abend
gaben die Stadtverordneten ihre Antwort, ruhig, fest, ableh-
nend. Ihre Gegenforderungen präcisierten sie in einer an den
Landtag zu richtenden Petition, während im Schützenhause auf
Josephs Einladung eine Versammlung von vierzig Häuptern
der liberalen, vorzugsweise aber der radicalen Partei aus ver-
schiedenen Städten über die Wünsche und Bedürfnisse des Landes
berieth, die Berufung des außerordentlichen Landtags unbedingt
verwarf und einen ihre Hauptforderungen zusammenfassenden
Aufruf an das Volk zu erlassen beschloß.
Mit dem Scheitern dieser Sendung war der letzte Rettungs-
anker des alten Systems gerissen. Carlowitz, der nur mit
Widerstreben und bereits innerlich entschlossen, nur noch bis
zum Zusammentritt des Landtags sein Amt fortzuführen, jenen