Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Landtag. Erster Wahlgesetzentwurf. 581 
die zweite einstimmig beitrat. Der Adresse der zweiten Kammer 
dagegen war es auch diesmal nicht beschieden an ihr Ziel zu ge- 
langen; denn da die darin aufgenommene Empfehlung des Ein- 
kammersystems, nachdem das Ministerium sich dagegen erklärt 
hatte, nicht durchgieng, so wurde bei der Endabstimmung die 
ganze Adresse mit geringer Majorität verworfen. 
Es war ein unglückliches, in seinen Folgen überaus ver- 
derbliches Experiment, welches die Regierung mit diesem neuen 
Wahlgesetze machte. Das Eigenthümliche desselben bestand 
darin, daß es sich auf die Reform der zweiten Kammer be- 
schränkte, die erste unverändert ließ und die Entscheidung über 
die Frage, ob Ein= oder Zweikammersystem, auf den nächsten 
Landtag, wenn die Volkskammer nach dem neuen Modus ge- 
bildet sein würde, versparte, das Ministerium also auf die 
eigene Initiative verzichtend, hauptsächlich nur die Ansicht der 
Kammermajorität über diesen Angelpunkt des ganzen künftigen 
Staatslebens zu erfahren wünschte 1). Aber das zweideutige 
Werk der Regierung fand bei keiner Partei Beifall. Die Linke 
drang auf gänzliche Beseitigung der ersten Kammer, sie beibehalten 
heiße nur der Reaction ein Nest vorrichten; den Gemäßigteren 
galt das Einkammersystem als Anfang der Republik, aber sie 
verlangten eine Reform der ersten Kammer, die auch nach 
ihrer Überzeugung in der bisherigen Zusammensetzung zur Un- 
benutzen kann um zwischen den Besitzern der Rittergüter und den Übrigen 
Bewohnern des platten Landes, denen wir sämtlich angehören, Zwietracht 
und Mißtrauen auszustreuen.“ 
1) „Die Frage, ob Ein= oder Zweikommersystem“, erläuterte Braun, 
„k#önne vor Vollendung der Reichsverfassung nicht wohl entschieden wer- 
den, weil dann erst sich ersehen lassen werde, welche Vertretung den Ein- 
zelstaaten verbleibe; ergebe sich, daß für diese künftig eine Art Provinzial- 
vertretung genüge, so werde allerdings das Einkammersystem ausreichen; 
ein zweiter Grund liege in den Verträgen, die durch Aushebung der ersten 
Kammer gelöst werden müßten. Halte jedoch die Kammer diese Frage 
kür so präjudiciell, daß sie ohne deren Lösung keine Entscheidung fassen 
zu können glaube, so sei die Regierung geneigt, hierüber in Berathung 
zu treten um womöglich noch viesem Landtage einen desfallsigen Entwurf 
vorzulegen.“
	        
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