Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

59P0 Das Jahr 1848. 
von fremden Agitatoren geschürt, 11. September in Chemnitz 
vorfielen, spornten zur Eile; am 27'sten begann die Berathung 
des Wahlgesetzes in der zweiten Kammer, die dasselb am 
3. October gegen die zehn Stimmen der äußersten Linken im 
Wesentlichen annahm. Nur die Zusammensetzung der ersten 
Kammer erfuhr insofern eine Abänderung, als die Vertretung 
der Capacitäten gestrichen und die erste Kammer, abgesehen von 
den zum Eintritt berechtigten königlichen Prinzen, aus 50 gleich- 
mäßig (je zwei in je drei von den 75 Wahlbezirken) durch die 
Grurpbesitzer zu wählenden Abgeordneten gebildet wurde. Auch 
das Militär erhielt Stimmberechtigung. Da das Ministerium 
aus der Annahme des Gesetzes eine Cabinetsfrage gemacht hatte, 
so wagte auch die erste Kammer in einem so verhängnißvollen 
Zeitpunkte nicht die Verantwortlichkeit einer Verwerfung auf 
sich zu laden. Sie beugte sich dem moralischen Zwange, unter 
dem sie stand, und trat, da ihr Fortbestand in der jetzigen Zu- 
sammensetzung unmsglich sei, mit Aufopferung ihrer indivi- 
duellen Meinung den Beschlüssen der zweiten Kammer bei, unter 
Protest der Standesherren gegen den unbefugten Eingriff in ihre 
Rechte. , 
Bei weitem nicht so glatt schien sich das Verhältniß zu den 
frankfurter Gewalten ordnen zu wollen. Am 28. August er- 
schien ein königliches Decret über das deutsche Verfassungswerk, 
welches unter Berufung auf § 2 der Verfassung, wonach kein 
Kronrecht ohne Zustimmung der Kammern veräußert werden 
dürfe, den Grundsatz der Vereinbarung schärfer als je zuvor 
betonte. Noch wenige Tage vorher hatte Tzschirner voll Zorn 
über die reservierte Haltung der Regierung den förmlichen An- 
trag auf unbedingte Anerkennung der Beschlüsse der souverainen 
Nationalversammlung gestellt. Ehe es aber zur Berathung 
jenes Decretes kam, war in der Stimmung der Linken ein 
vollständiger Umschlag eingetreten. Seitdem sie erkannte, daß 
die Majorität der Nationalversammlung ihr nicht auf die Bahn 
der Revolution folge, die Centralgewalt ihr nicht zum Umsturz 
der Fürstenthrone verhelfe, kurz, daß nach dem Ausdrucke des 
Abgeordneten Evans „das deutsche Volk in Frankfurt in ein
	        
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