Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

5908. Sachsen von 1848—1854. 
Von den Abgeordneten der neuen Volksrertretung 1) be- 
stand weitaus die Mehrzahl aus Neulingspolitikern von höchst 
mittelmäßigen Fähigkeiten und beschränktem Gesichtskreis, welche 
die Fluth des Jahres 1848 gehoben und bis an diesen Ort 
getragen hatte. Was ihnen an Kenntnissen und Bildung ab- 
gieng, das ersetzten sie durch Gesinnungstüchtigkeit, durch halb 
dünkelhaften, halb um die Volksgunst buhlenden Wortschwall, 
durch Parteischlagwörter und eine Urwüchsigkeit des Ausdrucks, 
wie sie weder vor- noch nachher je in einer deutschen Kammer 
erhört worden ist. Die Volksfreiheit immer im Munde 
führend aber von der Höhe ihrer radicalen Anschauung 
auf jeden anderen politischen Standpunkt mit souverainer 
Verachtung herabblickend verschmähten sie es ihre Gegner zu 
widerlegen und zogen es statt dessen vor sie durch Verhöhnungen, 
tumultuarische Unterbrechungen und den Lärm der ihnen allzeit 
dienstbaren Galerieen zum Schweigen zu bringen, so daß die 
schwache und entmuthigte Rechte es bald fast ganz aufgab sich 
Gehör zu verschaffen. Am tollsten trieb es die äußerste Linke, 
die sich unter Tzschirner und v. Trützschler organisierte, welcher 
letztere seine parlamentarische Thätigkeit von Frankfurt nach 
Dresden verlegt hatte und sich zu dem Glauben bekannte, daß 
jeder Mensch als Sourerain zur Welt komme. „Ich kenne 
die Gründe der Regierung nicht aber ich mißbillige sie!“ 
donnerte einer dieser Volksmänner dem Ministerium zu. 
Dieses geflügelte Wort und der blaue Rock, in welchem ein 
anderer sich bei der Eröffnungsfeierlichkeit brüstete, wurden 
typisch für den ganzen Landtag und drückten ihm zu der Miß- 
achtung der Verständigen auch noch den Stempel der Lächerlich- 
keit auf. 
Eine kurze Zeit hatte es den Anschein, als ob die Linke 
doch das Vollgefühl ihrer souverainen Macht etwas im Zügel 
halten wolle, trotzdem war schon in den ersten Sitzungen der 
ganze in den Kammern wehende Geist feindseliger Art. Das 
1) Präsidenten waren Joseph und Hensel-Zittau. Vicepräsidenten in 
der ersten Kammer Tzschucke und Haden, in der zweiten Schaffrath und 
Tschiirner.
	        
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