Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

604 Sachsen von 1848—1854. 
In Wahrheit waren sie feige genug die Verantwortlichkeit für 
die Folgen ihrer eigenen Thaten vor dem Lande zu scheuen. 
Statt den Rücktritt des Ministeriums als eine Consequenz 
des parlamentarischen Systems anzuerkennen, schleuderten 66 
Kammermitglieder ihm öffentlich die Behauptung nach, derselbe 
sei erfolgt, nicht weil es überhaupt nicht die Moajorität, son- 
dern weil es dieselbe nicht in Bezug auf die Publication der 
Grundrechte gehabt habe und man offenbar nur Oberländern 
habe opfern wollen. Voll Entrüstung über dieses schnsde Gaukel- 
spiel trat da plötzlich ein als Ehrenmann bekannter Kaufmann 
aus Löbau mit der Enthüllung hervor, wie er am Tage der 
Landtagseröffnung unfreiwilliger Zeuge einer von ungefähr 80 
Kammermitgliedern besuchten Clubversammlung und des dort 
abgekarteten Planes geworden sei, das Ministerium zu stürzen, 
aber, da es doch die Majorität im Volke habe, auf eine solche 
Art, daß die Schuld nicht auf die Kammern sondern auf das 
Ministerium selbst falle, und als die Getroffenen sich auch hier 
aufs Läugnen legten, erbot er sich zu eidlicher Erhärtung seiner 
Aussage, die ohnehin durch die Thatsachen bestätigt wurde. 
An eine Unterstützung des neuen Ministeriums, welches sich 
einige Tage später durch ven Eintritt des Obersten B. Raben- 
horst als Kriegsministers vervollständigte, durch die Kammern 
war nicht zu denken. Kein einziges Mitglied desselben hatte 
eine parlamentarische oder überhaupt nur eigentlich politische 
Vergangenheit; es war eine büreaukratische Combination, die 
nur einem Ministerium Teschirner den Weg sperren sollte. 
Außer Stande zu gewaltsamem Widerstande überwand es sich 
bis zur äußersten Grenze der Nachgibigkeit zu gehen: am 
26. Februar stellte Dr. Held den Kammern nicht nur zahlreiche 
Gesetzvorlagen sondern auch die sofortige und bedingungslose 
Publication der Grundrechte in Aussicht, eine Concession, die 
wenn nicht von ihm selbst so doch von Beust nicht ohne Hinter- 
gedanken gegeben und nur als zeitweiliges Beruhigungsminel 
gemeint war 1). Aber auch dieser Zweck wurde nur sehr un- 
1) „um dem Ministerium freies Spiel zu machen, damit der Wider-- 
stand beginnen und man sich auf die Zeit vorbereiten könne, wo bald
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.