Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Auflöfung der Kammern. Die Relchsverfaffung. 615 
verfassung nicht anerkannt sei, keinen Gebrauch zu machen, 
und durch ihr Zusammentreffen mit den Kammerauflösungen 
in Berlin und Hannover, welches auf einen gemeinsamen Plan 
der Regierungen schließen ließ, eine besondere Bedeutung erhalten. 
Der finanzielle Conflict verschwand hinter dem wahren Grunde, 
der Weigerung des Königs, die Reichsverfassung anzuerkennen. 
So kam es, daß mit Ausnahme der äußersten Rechten sich 
alle Parteien gegen die Regierung erklärten, daß auch von dem 
besten und loyalsten Theile der Bevölkerung Viele sich dem 
Sturm auf das Ministerium und den König anschlossen, um 
in ähnlicher Weise wie im März 1848 und, wie es jetzt bereits 
in 28 Staaten, zuletzt noch in Würtemberg geschehen war, 
auf friedlichem Wege dem Könige die Anerkennung abzuringen, 
durch die Zustimmung der Fürsten auch den König von Preußen 
zur Annahme der Kaiserkrone zu bewegen uud so die Einheit 
Deutschlands zu erobern, die allein im Stande schien, den gähnenden 
Schlund der Revolution zu schließen. Ihr Bemühen scheiterte 
an der Widerstandskraft der Regierung und trug daher nur dazu 
bei das Gewicht der revolutionären Elemente zu verstärken und 
der ultrademokratischen Partei in die Hände zu arbeiten, für 
welche die Reichsverfassung nichts war als der Übergang 
zur Republik. Seltsam und bedenklich mußte es freilich er- 
scheinen, daß dieselben Leute, die gestern noch die Reichsver- 
fassung mit Koth beworfen und alles gethan hatten um sie 
unmöglich zu machen, heute plötzlich Gut und Blut für sie 
einzusetzen aufforderten. Aber es war schwer diese Gemein- 
schaft abzuweisen, wollte man nicht ganz auf das Werk des 
frankfurter Parlamentes verzichten, und die verwegenen Führer 
der republikanischen Partei säumten nicht die Gunst des Augen- 
blicks für sich auszubeuten. Tzschirner und Helbig (Bürger- 
meister von Borna) eilten unmittelbar aus der Kammer nach 
Leipzig um das niedere Volk zum Widerstande gegen das 
volksfeindliche Ministerium aufzurufen, richteten jedoch nichts 
aus. Von Dresden aus erließen 12 Abgeordnete der Linken, 
30. April, eine Protestation gegen jede Erhebung und Ver- 
wendung nichtt verfassungsmaßig verwilligter Steuern, eine Er-
	        
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