Reichstag zu Erfurt. Biedermanus Autrag vom 24. April. 665
Unsicherheit Preußens gegenüber dem kecken Vorschreiten Oster-
reichs, welches nunmehr, da das Interim mit dem 1. Mai ab-
lief, Preußens Pläne auf Grund des alten Bundesrechts zu
zerstören Anstalt machte. Kraft seines Präsidialrechts schrieb
es, 26. April, eine außerordentliche Plenarversammlung aus.
Der König von Preußen dagegen lud sämtliche Unionsfürsten
mit Ausnahme des hannoverschen auf den 8. Mai zu einem
Congreß nach Berlin ein. Der König von Sachsen war der
einzige, der direct ablehnte, „da dieselben Gründe, welche ihn
von Beschickung des erfurter Parlaments abgehalten hätten,
sowie die Rücksicht auf die bevorstehende Versammlung der Be-
vollmächtigten sämtlicher deurscher Regierungen in Frankfurt ihn
vom Erscheinen abhielte“.
Jene Reactivierung des Bundestags führte auch in den
innern Verhältnissen Sachsens die entscheidende Wendung
herbei. Das Bekanntwerden der münchener Übereinkunft er-
regte hier unter den Freunden des parlamentarischen Bundes-
staates, die eben jetzt durch den Austritt des von der preußischen
Regierung zum Commissar am erfurter Reichstage ernannten
v. Carlowitz in der ersten Kammer ihre kräfrigste Stütze ver-
loren hatten, eine leicht begreifliche Aufregung. Auf eine Inter-
pellation Biedermanns bestätigte Beust, 25. März, die That-
sache des Abschlusses der Convention, zu welcher die Zustim-
mung Sachsens bereits am 2. März abgegangen sei, lehnte
aber die Vorlage der bezüglichen Actenstücke, da die Verhand-
lungen noch schwebten, ab und übergieng die Frage, ob die
Regierung dabei die verfassungsmäßige Zustimmung ihrer Volks-
vertretung ausreichend gewahrt habe, mit Stillschweigen. Diese
unbefriedigende Auskunft in Verbindung mit verschiedenen un-
heimlichen Gerüchten bewog Biedermann am 24. April den
dringlichen Antrag zu stellen: die Kammer wolle zur Wirksam-
machung ihres Beschlusses vom 7. März und in Erwägung,
daß mit dem 1. Mai die Wirksamkeit der Bundescommission
erlösche, ihren deutschen Ausschuß beauftragen ungesäumt Er-
örterungen anzustellen, ob nicht der Zeitpunkt eingetreten sei,
wo die Kammer ihr verfassungsmäßiges Recht der Zustimmung