692 Sachsen von 1848—1854.
Wahlen geltend. Im übrigen lagerte eine allgemeine Geisus-
unthätigkeit über dem Lande.
Mit der politischen Reaction Hand in Hand gieng die kirch-
liche. Nicht das Verbot der bereits in innerer Zersetzung be-
griffenen freien Gemeinden (11. August 1851) noch auch die
polizeilichen Anfechtungen der auf vier zusammengeschwundenen
deutschkatholischen Gemeinden würden diesen Namen verdienen,
wenn sich damals nicht innerhalb der ganzen protestantischen
Kirche ein tiefgehender Umschwung vollzogen hätte, der, schon
seit langem vorbereitet, die Alleinherrschaft des am Ende seiner
Weisheit angelangten Rationalismus durch das Wiederauftreten
der Orthodoxie brach. In Sachsen bezeichnete den Beginn
dieses an sich berechtigten und als Entwicklungsphase noth-
wendigen Processes die Berufung von Harleß, der sich in
Baiern als muthvoller Vorkämpfer des Protestantismus erprobt
batte, zum Pastor an die Nicolaikirche zu Leipzig, Juli 1847.
Seine Predigt voll zündender Beredsamkeit und seltener pro-
testantischer Kraft zog Tausende von Zuhörern in die zeither
meist nur spärlich besuchte Kirche. Bald an die Universität
berufen, führte er auch die theologische Jugend in den Jdeen-
kreis der Orthodoxie ein, während Ahlfeld aus Halle seine Stelle
auf der Kanzel der Nicolaikirche einnahm; seine Ernennung
zum Nachfolger des 82jährigen Oberhofpredigers v. Ammon,
der September 1849 sein Amt niederlegte 1), brachte die
Orthodoxie an die Spitze des sächsischen Kirchenregiments, brachte
sie aber auch damit in die Versuchung sich den in ihrem Wesen
begründeten hierarchischen Tendenzen zu überlassen. Von einer
freien Kirchenverfassung, wie sie v. d. Pfordten als Cultus-
minister durch Zurückgabe des dem Staate zustehenden jus
circa sacra an die Gemeinden und Aufhebung des Patro-
natsrechtes in Aussicht gestellt hatte, wollte diese Richtung se
wenig wissen wie die Aristokratie von einer freien Staatsver-
1) An Ammons 70. Geburtstage im Jahre 1836 hatte sich eine
Anzahl seiner Verehrer zur Begründung elner seinen Namen führeaden
theologischen und pädagogischen Preisstistung vereinigt.