Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Kirchliche Reaction. 693 
fassung, eine innere Verwandtschaft, die beide, nicht ohne tiefe 
Schädigung der wahren kirchlichen Interessen, zu engen Bundes- 
genossen machte. Denn nicht genug, daß dadurch die Kirche 
dem Parteigeist verfiel, so daß z. B. jetzt der Oberhofprediger 
in der ersten Kammer jederzeit mit der äußersten Rechten 
stimmte, ließ sie sich von der politischen Reaction, und von 
dem Cultusminister v. Beust zumal, mißbrauchen als ein 
wirksames Mittel um den übermüthigen Zeitgeist zu bändigen 
und wieder zum Gehorsam zu gewöhnen, ihrerseits zufrieden 
ihre Zwecke durch die Staatsgewalt unterstützt zu sehen. Selbst 
der politische Particularismus fand sein Seitenstück in dem 
kirchlichen Particularismus, mit dem Harleß, den Zusammen- 
hang mit der allgemeinen protestantischen Kirche hintanfsetzend, 
vorwiegend den Begriff der Landeskirche betonte. Was auf 
diesem Wege erreicht wurde, war wohl eine äußerliche Kirchlich- 
keit bei den Einen, ein unbedingtes Gefangengeben der Vernunft 
bei den Andern, bei der großen Mehrheit aber ein tief wurzelndes 
Mißtrauen gegen alles Kirchliche überhaupt, und dieses zu ver- 
scheuchen waren weder der Ruf nach strengerer Kirchenzucht oder 
die Gehässigkeit gegen die Reformierten und die preußische Union, 
noch die Mißgunst gegen den Gustav-Adolf-Verein, noch ouch das 
eifrige Betreiben der innern und äußern Mission 1) die ge- 
eigneten Mittel; daß das 1850 begründete Sächsische Kirchen= und 
Schulblatt sich zur Ablagerungsstätte dieser sich in Luthers 
Buchstaben verhärtenden Rechtgläubigkeit machte, wurde bei dem 
Zusammenhange dieses Blattes mit dem Cultusministerium 
nicht minder anstößig empfunden und selbst in der Kammer 
gerügt?). 
1) Das dänische Missionscollegium Ubertrug im Jahre 1847 ver 
evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft zu Dresden die gesamte dänische 
Mission zu Tranquebar, so daß also nun deren Händen das Feld, auf 
welchem die deutsch-lutherische Kirche durch Ziegenbalg ihre erste Missions- 
thätigkeit entfaltet hatte, wieder anvertraunt war. — 1853 wurde ein 
söchsischer Hauptmisslonsverein gegründet. 
2) Die Söcularfeier des pafsauer Vertrags im Jahre 1852 unterblieb 
aus Furcht, „daß sie die Gestalt einer Provocation gewinnen könne,
	        
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