Stwasgesetzbuch. Strafprocehorduung. 709
sormen nichts mehr wissen, und ohne Zschinsky's Festigkeit würde
auch die Justizreform von den immer noch hoch gehenden Fluthen
der Reaction verschlungen worden sein. Statt auf den von
der Regierung gewünschten abgekürzten Berathungsmodus ein-
zugehen beantragte die durch den adeligen Grundbesitz gebildete
Majorität der ersten Kammer die Verschiebung der Gesetz-
entwürfe auf den nächsten ordentlichen Landtag. Allein da nicht
nur die zweite Kammer schon Tags darauf sich einstimmig mit
dem vorgeschlagenen Berathungsverfahren einverstanden erklärte
und den Beschluß der ersten verwarf, sondern auch die Re-
gierung auf der Berathung der Vorlagen bestand, so fügte sich
die erste Kammer und trat zunächst in die über das von
Dr. Schwarze ausgearbeitete Strafgesetzbuch ein. Dieses, im
Wesentlichen eine Umarbeitung des Criminalgesetzbuchs von
1838 1), fand jedoch, obgleich es sich durch besondere Strenge
gegen politische Vergehen empfahl, bei der äußersten Rechten
wenig Beifall, namentlich v. Welck erklärte sich durchaus gegen
den Entwurf, der dem Humanitätsprincip zu sehr Rechnung
trage, und rieth bloß der Wiedereinführung der körperlichen
Züchtigung beizustimmen. Nach mehrtägiger Berathung nahm
die Kammer den Entwurf an, jedoch nur eventuell, um die
Abgabe des Gesetzes an die zweite Kammer zu ermöglichen.
Diese hatte sich unterdes mit der Strafproceßordnung beschäf-
tigt, welche nun zwar das Anklageverfahren, Offentlichkeit und
Mündlichkeit gewährte aber der Geschwornenbank ein Richter-
collegium substituierte; doch legten selbst die Liberalen dem
1) Im allgemeinen erlitt darin das Srrassystem durch Wegfall der
zwei Grade der Zuchthausstrafe und des Dunkelarresis als Schärfungs-
mittels sowie durch Wiederherstellung der körperlichen Züchtigung, durch
Verlängerung des Maximums sämtlicher Freiheitsstrafen bis auf 30 Jahr,
der Dauer der Gefängnißstrafe auf 4 Monate oder des Minimums der
Arbeitshausstrase auf gleiche Frist, eudlich durch die veränderte Geltung
der verschiedenen Freiheitsstrafen gegen einander und die erhöhte Ab-
schätzung der Gefängnißstrafe zu Geld wesentliche Veränderungen; die
Todesstrafe, für deren Vollstreckung die Offentlichkeit abgeschafft uud das
Fallschwert eingesührt worden war, war auf weniger Fälle beschränkt.