Landtag von 1860. Sächsisches Bundesresormproject. 749
dächtigungen der Mittelstaaten wegen Rheinbundsgelüsten und
über die Erfolglosigkeit seiner bisherigen Bemühungen. Auch
den Riedelschen Antrag, dem schon der Deputationsbericht
jeden praktischen Werth absprach, eignete sich die erste Kammer
nicht an sondern schwächte ihn zu dem bloßen Ersuchen an die
Regierung ab, sich auch ferner für Herbeiführung einer ganz.
Deutschland umschließenden Gesetzgebung auf den hierzu geeig-
neten Gebieten, für größere Wehrhaftigkeit des Bundes und
Einsetzung eines Bundesschiedsgerichts zu bemühen. Die Thron-
rede am Schluß des Landtags übergieng, bezeichnend genug,
die deutsche Frage ganz mit Schweigen.
Dieses Schweigen bedeutete jedoch keineswegs, daß nunmehr
Beust seinerseits auf die Lösung des Räthsels, welches bislang
allen Anstrengungen der coaliierten Mittelstaaten gespottet hatte,
verzichte; im Gegentheil fühlte er sich nur um so mehr an-
gespornt, allein mit einem eigenen Bundesreformproject hervor-
zutreten (15. October) 1). Die den Entwurf begleitende Denk-
schrift verwahrte sich nochmals gegen ein deutsches Parlament,
das nicht allein zum Umsturz des Föderatirsystems führe, sondern
bereits der Umsturz selbst sei; ebenso verwarf sie eine einheitliche
Centralregierung, ein in einer Hand befindliches Obercommando
und eine ausschließlich einheitliche Vertretung nach außen.
1) Die Grundzlge desselben waren kurz folgende: Organe des Bundes
sind a) die Bundesversammlung, welche jährlich nur zweimal, das eine
Mal in einer Stadt des Slldens (Regensburg), das andere Mal in einer
des Nordens (Hamburg), auf lingstens vier Wochen zusammentritt; in
ersterem Falle führt Osterreich, in letzterem Preußen den Vorsitz, in der
Zwischenzeit sind beide Präsidialhof und wird die Bundesexerutive von
dem Kaiser von Osirreich, dem Könige von Preußen und einem dritten,
von sämtlichen Ubrigen Bundesstaaten bevollmächtigten Fürften gefbt;
lur Instructionseinholung werden nicht mehr als drei Tage bewilligt; —
b) die Abgeordnetenversammlung, gebildet aus Delegierten der Landes-
vertretungen (aus Ösfterreich und Preußen je 30, aus Vaiern 10, aus
Sachsen, Hannover, Würtemberg je 6 rc., im Ganzen 128), deren Ein-
berufung, Vertagung und Auflösung dem Ermessen der Bundesversamm-
lung vorbehalten bleibt; — c) das Bundesschiedsgericht. Staats-
archiv I, Nr. 164; II. Nr. 175 u. 176.