Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

154 Inneres 1123 — 1190. Rechtswesen. 
und Krankenstuben, nur mag die Heilkunde noch in den Win- 
deln gelegen haben. Selbst über die bürgerliche Zeitrech- 
nung und den Anfang des Jahres war man noch nicht im 
Reinen; letzterer schwankte zwischen dem Weihnachtstage und 
dem 25. Märzz erst seit dem 13. Jahrhundert entschied man 
sich in der meißner Diöces nach dem Vorgang der mainzer 
und prager für jenen 2). 
So waren die privatrechtlichen Verhältnisse der Markein- 
wohner nach gar verschiedenem Recht bestimmt, welches, nir- 
gends aufgezeichnet, sich bloß auf Brauch und Herkommen 
gründete, also der Willkür manchen Spielraum ließ. So fin- 
det man außer den Localstatuten der Städte sächsisches, frän- 
kisches, wendisches, flämisches Recht; beginnende Bekanntschaft 
mit dem römischen Rechte zeigt, daß in einer pfortaischen Klo- 
sterstreitsache um 1181 Gerhard von Stechau nach jus gracco- 
latinum behandelt sein will 1). Das Gewohnheitsrecht nannte 
man das jus publicum. Daß die Wenden ihr herkömmliches 
Recht behalten hatten, für Mord, Diebstahl und andere Ver- 
brechen mit Geld büßen konnten, daß vornehme Wenden ganze 
Unterthauenfamilien verkaufen und vertauschen konnten, zeigen 
die Urkunden, hing auch mit dem Begriffe der Leibeigenschaft 
zusammen. 
Unter dieser schmachtete auch wohl der größte Theil der 
Ackerbau auf ofsenem Lande treibenden Markbewohner, dar- 
unter viele ehemals Freie, welche den Eintritt in die Dienst- 
mannschaft versäumt hatten und nun zu unfreien Hintersassen 
herabgesunken waren, die dem Grundherru Erbzius zahlten; 
auch Slaven fanden sich noch viele unter ihnen. Sie heißen 
in Urkunden liti, leti, aldiones, amurdi, Smurdiones; auch die 
noch unerklärten frohnpflichtigen gasti gehören hierher. Seit 
dem Schwinden der alten Markeinrichtungen entwickelte sich 
auch eine eigene Dorfverfassung; mehre Dorfschaften zusammen 
1) Vgl. Fr. A. Ebert, Geschichte und Beschreibung der königlichen 
Bibliothek zu Dresden Ceipzig 1823). Über die Nekrologien Wedekind, 
Noten zu einigen Geschichtschreibern des Mittelalters III, 319. 
2) Chu. Schöttgen, Leben Kourads des Großen, S. 163.
	        
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