250. Inneres 1324 — 1423.
kam. Die Kirchenbauten wurden wahrscheinlich schon damals
von einer Steinmetzbrüderschaft in Sachsen besorgt, deren Hütte
zu Rochlitz von der straßburger abhängig war und eine eigene
Ordunng hatte 1).
Von öffentlicher Sitte und häuslichem Leben jener Zeit ist
in der Kürze kaum ein deutliches Bild zu geben, am wenigsten
etwas, was unsern Gegenden ganz eigenthümlich wäre. Das
Faustrecht war ein Übel nicht Deutschinds, sondern halb Europas=
Armuth, Leibeigenschaft war allgemeines Loos des letzten Standes,
Luxus und Hoffahrt war beim Bürger wie beim Junker, der
in spitzen Schnabelschuhen, in unverschämt geschlitzten Pluder-
hosen und in der Dunsings= oder Schellen-Tracht einherging.
Der Ritter turnierte oder jagte, als das Pulver ihm den Krieg
verdarb, er schwelgte oder zechte, und schon hört man klagen
über das viehische Zu- und Nieder-Trinken. Kleiderordnungen
suchten die. Blößen des weiblichen Körpers da umsonst zu decken,
wo Zucht und Sitte schon gesunken war. Frauenhäuser weist
der nächste Zeitraum in Sachsen nach. Die gemeinschaftlichen
Bäder, die Völlerei, das Cölibat, kirchliche Feste und Metten,
die sittenlose Tracht, der wohlfeile Ablaß Johanns XXII. für.
solche Sünden, das böse Beispiel der Geistlichkeit in diesem
Punkt mögen die Verworfenheit gesteigert haben. Fast mag.
hierin der Sorbe den Deutschen beschimt haben; nur im
Aberglauben that er es ihm zuvor. Wie viel endlich muß
nicht der furchtbare Hussitenkrieg der Kultur unserer Länder
geschadet haben! Und doch sind diese Hussiten gleichsam die
Sturmvögel jener herrlichen geistigen Nevolution, die ein Haupt-
gegenstand des folgenden Buches sein wird. Vielleicht mußte
es erst dahin kommen, damit in der gefährlichen Krisis das
wahre Mittel wirke, weil über das libel kein Zweifel mehr
sein konnte.
1) K. Stieglitz;, Über die Kirche der heiligen Kunigunda in Rochlitz
(1829, 8°%. Beck, Repertorium (1829), Heft 5, S. 39.