Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

1491 
430 Kurfürst Friedrich der Weise. 
wärts drängend, noch ängstlich hemmend und aufhaltend, sich 
selbst entfalten ließ. Wenige Fürstenleben aller Zeit sind so 
makellos und tadellos über die Bühne der Geschichte gegangen, 
selten ist so viel persönliche Liebenswürdigkeit mit so großer 
politischer Bedeutung gepaart gewesen. Obschon sich der Unter- 
richt, den er auf der Stiftsschule zu Grimma und bei M. Kemmer- 
lein genossen, nur im herkömmlichen Gleise bewegte, so ver- 
dankte er ihm doch mehr als manchen weisen Spruch der Alten, 
wie er ihn zur rechten Zeit im Munde und Herzen führte, 
nämlich das damals; bei Fürsten noch seltene Bewußtsein von 
dem Werthe klassischer Bildung. Seine ungeheuchelte Gottes- 
furcht, seine strenge Gewissenhaftigkeit, die Uneigennützigkeit, mit 
der er z. B. selbst eine zum Behufe eines Römerzugs gezahlte 
Stener den Unterthauen zurückgab, als aus dem Zuge selbst 
nichts wurde, die sich nie verleugnende Herzensgüte und Milde, 
die nie einen Fluch, die Wahrhaftigkeit seines Wesens, die nie 
eine vüge über seine Lippen gehen ließ, sein llarer Blick in die 
Lage der Dinge und die Bedürfnisse seiner Lande, die ruhige 
Besonnenheit in seinen Entschlüssen und dabei die Festigkeit in 
dem einmal Ergriffenen, „daß, wenn er gute Sach hatte, wie 
eine Mauer hielt“, endlich sein unermüdlicher Fleiß machten 
ihn nicht nur zu einem der ausgezeichnetsten Fürsten, die Sachsen 
jemals besessen, sondern sicherten ihm auch bei seinen Zeit- 
genossen eine so ungetheilte Hochachtung, daß diese das Gewicht 
der sächsischen Stimme auch in den auswärtigen und nament- 
lich in den Reichsangelegenheitken nicht wenig erhöhte. 
Das eigentliche Kurland Sachsen regierte er allein, alles 
Übrige zugleich mit seinem Bruder Johann. Nie erhob sich 
ein Streit oder Groll zwischen beiden Fürsten; selbst mit dem 
viel auswärts beschäftigten Oheim Albrecht dem Beherzten fielen 
nur wenige noch aus der Theilung herrührende Irrungen vor, 
die der oschatzer oder dresdener Vertrag 1491 beilegte. Ihm 
sagten die Brüder, im Fall unbeerbten Absterbens ihre Länder 
zu. Was dieser schon 1476 gethan hatte, und wie es bis auf 
die Tage der Reformation Fürstensitte geblieben, unternahm 
auch Friedrich „aus sunder Innigkeit und Andacht, auch red- 
lichen Ursachen“, wie sein vorher gemachtes Testament besagt,
	        
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