Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

434 Kurfürst Friedrich der Weise. 
und Berg war daran, mit Herzog Wilhelms Tode fällig zu 
werden; in Hessen übertrugen die Stände nach dem Tode des 
Landgrafen Wilhelm, der mit Friedrich in enger Freundschaft 
und lebhaftem, vertraulichem Briefwechsel gestanden hatte ½), 
mit Ausschluß der Landgräfin-Wittwe dem Hause Sachsen die 
Vormundschaft über den öjährigen Landgrafen Philipp; starb der 
Knabe, so fiel Hessen kraft der Erbverbrüderung an Sachsen. 
Man maß am kaiserlichen Hofe dem Kurfürsten die Absicht bei, 
gegenüber dem schwäbischen Bunde einen norddeutschen Bund zu 
gründen. Seit Heinrich dem Löowen hatte es in Norddentsch- 
land keine Macht von ähnlicher Ausdehnung gegeben. Auf das 
Streben, sie unschädlich zu machen, richtete sich jetzt das Haupt- 
augenmerk der kaiserlichen Politik. 
Daß die Herrschaften in der Grafschaft Görz, die der Kaiser 
dem Kurfürsten schon 1498 für theils baar dargeliehene, theils 
an Besoldung aufgelaufene 65,000 Gulden unterpfändlich ein- 
gesetzt hatte, 1509 in die Hände der Venetianer fielen, ohne 
daß, wie es scheint, dem Kurfürsten jemals das Geld wieder 
erstattet worden ist, mochte sich noch verschmerzen lassen, es 
gab empfindlichere Stellen, an denen man ihn angreifen konnte. 
Trotzdem, daß die 1483 Albrecht dem Beherzten gegebene Even- 
tualbelehnung mit Jülich und Berg nebst Ravensberg 1486 
auch auf Ernst und seine Nachkommen ausgedehnt und 1495 
beiden Linien aufs neue bestätigt worden war, widerrief jetzt 
der Kaiser alle diese Exspectanzen zu Gunsten der einzigen Tochter 
des Herzogs von Jülich, deren Gemahl, Johann von Cleve, 
dadurch vom Bunde mit dem Herzog Karl von Geldern abzuziehen 
er noch ein ganz besonderes Interesse hatte, und wirklich nahm 
dieser 1511 nach seines Schwagers Tode das Land in Besitz. ) 
In Hessen erhoben sich um die nämliche Zeit die Stände gegen 
die Vormundschaft der sächsischen Fürsten; der ihnen ergebene 
Landhofmeister von Boyneburg legte sein Amt nieder, die Land- 
1) Nommel, Geschichte von Hessen III, 1. S. 152 und Anmerkk. 
S. 98. Die sehr zierlich unterschriebenen Briefe Friedrichs sind noch im 
kasseler Hofarchiv vorhanden. 
2) Weisse (Gesch. der kursächs. Staaten III, 19— 21) führt die 
Quellen an.
	        
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