488 Zustand der sächsischen Landeskirche.
zweidentigen Beweis, so vollzog er sich noch entschiedener, als
nunmehr die weltlichen Obrigkeiten die von den Bischbfen ver-
säumte oder gemißbrauchte Kirchengewalt als Nothbischöfe selbst
in die Hand nahmen, wozu allerdings der Zustand der Kirche
gebieterisch drängte. An manchen Orten Sachsens war noch
die seltsamste Vermischung alter und neuer Ceremonien; die
alten Prediger wollte man nicht schlechthin vertreiben, solange
das Volk sie duldete, ja ein Prediger versah noch 1528 zwei
Kirchen zu Hayna, in der einen das Abendmahl nach neuer
Weise, in der andern die Messe nach der alten haltend 1). Die
Schlauesten suchten es beiden Parteien recht zu machen; ein
beweibter Priester predigte ganz die alte Lehre, ohne daß die
Zuhörer es merkten, da schon Weib und Kind ihn evangelisch
machten; denn die Unwissenheit des gemeinen Volkes war noch
groß. Woher wären auch die Prediger zu schaffen gewesen?
Überdies hatten die Kirchen merklich an Einnahmen verloren,
da man für die Erhaltung des Kirchengutes im ersten Eifer
nicht, gesorgt hatte; man weigerte sich Zinsen und Gülten zu
bezahlen, weil man sich dieser Last enthoben glaubte. Die
Lage der Geistlichen war schrecklich; „wo nicht bald geholfen
wird“, schrieb Luther seinem Herrn, „so ist's aus mit den
Pfarrern, Schulen und Evangelio in diesem Lande, sie müssen
entlaufen, deun sie haben nichts, gehen herum und sehen aus
wie die dürren Geister“. Selbst die Universität befand sich
in trauriger Lage; nicht nur, daß es an Mitteln zur Besoldung
der Lehrer fehlte, auch die humanistischen Studien litten unter
der ausschließlichen Herrschaft der Theologie dermaßen, daß
Melanchthon, noch ihr einziger Vertreter, sie nur mühsam auf-
recht erhielt und am liebsten sich ganz weggewendet hätte. Und
wenn nur der Sache gleich zu helfen gewesen wäre. Aber je
schneller der Adel bei der Hand gewesen war, die herrenlosen
Klostergüter an sich zu reißen, desto weniger bezeigte er Lust,
sie, wie Luther verlangte, ihrer ursprünglichen Bestimmung
1) Seckendorf II, 102. Die Schilderung der damaligen kirch-
lichen Verwirrung in Sachsen, und wie viel vom Kurfürsten wegen seiner
Schwächen zu erwarten war, ist bei Planck a. a. O. höchst merkwürdig
zu lesen.