Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

490 Kirchenvisitation in Sachsen. 
patrone, zu Stipendien für ihre studirenden Söhne oder zu 
Ausstattung ihrer Töchter zu verwenden. Die Prediger der 
größern Städte sollten als Inspectoren oder Superintendenten 
in kleinern Kreisen die Aufsicht führen. Gegen altgläubige 
Geistliche und Mönche verfuhr man mit großer Schonung. Der 
Gottesdienst wurde von den anstößigsten Mißbräuchen gereinigt, 
Einheit der Lehre und wenigstens äußere Zucht und Ordnung 
unter dem verwilderten Volke bezweckt. Die schädlichsten Ge- 
brechen der öffentlichen Schulen wurden abgestellt, neue Schulen 
wurden gegründet und das noch vorhandene Kirchengut gegen 
Eingriffe der Habsucht durch gute Verwendung gesichert. Diese 
Visitation, an welcher Luther, Melanchthon, Myconius von 
Gotha, Menius von Eisenach, Jonas, Bugenhagen, Spalatin, 
Musa und andere Geistliche, nebst einer Anzahl Adliger in 
einzelnen Commissionen, denen gewisse Kreise oder Districte 
angewiesen waren, Antheil nahmen, dauerte von 1527 bis 
1929 1), und merkwürdiger Weise widersetzten sich gerade die 
Bischöfe am wenigsten, die doch nicht wenig dabei betheiligt und 
nicht einmal gefragt worden waren. 
So schlug die Reformation in Sachsen erst recht feste 
Wuiunzel, da man von oben herab und von unten hinauf sie 
befestigte. Eine christliche Kirchenverfassung nach den Grund- 
sätzen der evangelischen Lehre war nun geschaffen, die auch für 
alle anderen evangelischen Gebiete Deutschlands mehr oder 
weniger als Vorbild gedient hat. Bald wäre aber das ganze 
Visitationsgeschäft auf eine sehr bedenkliche Weise unterbrochen 
worden. 
Das Mißtrauen beider Religionsparteien gegen einander 
war durch einzelne Hinrichtungen und andere Nenctionen nur 
gesteigert worden. Man sprach von allgemeinen Verfolgungen 
der Evangelischen, die beabsichtigt würden, von Bündnissen zu 
diesem Zwecke, von Drohungen, die der Kaiser geschrieben und 
Ferdinand, sein Bruder, wahrzumachen willens sei. Aber jemehr 
Alle davon sprachen, desto weniger wußte man Gewisses. Auf 
1) Seckondork, llist. lunthernn. 11, 100. Plaucks trefsliche 
Bemerkungen in Gesch. d. prolestant. Lehrb. II, 389—401, und Ranke 
1I, 3054 ff.
	        
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