Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

698 Des Kurfürsten Moritz Stellung zum Kaiser. 
die Protestanten, das herrische Auftreten der Spanier verletzte 
das Gefühl der Nation und wie damals begegnete sich die 
französische Eifersucht gegen das Anwachsen der habsburgischen 
Macht mit der Furcht der Protestanten für ihren Glauben, 
der Fürsten für ihre Libertät. 
Mehr als jeden anderen berührte die Strömung dieser 
Verhältnisse, mochte sie nun von der einen oder von der andern 
Seite kommen, den Kurfürsten Moritz in der eigenthümlichen 
Stellung, in welcher er sich befand. Unauflösliche Bande der 
Dankbarkeit, so schien es, fesselten ihn an seiuen Wohlthiter, 
den Kaiser, aber so wenig er einst seines Vetters und väter- 
lichen Freundes Johann Friedrich geschont hatte, als dieser 
seinem Ehrgeize im Wege war, so wenig ließ er auch jetzt seine 
Handlungsweise durch Regungen des Gefühls bestimmen. Auf 
diese baute wohl auch der Kaiser nicht zunächst, aber er mochte 
berechnen, daß Moritz, beladen mit dem Hasse seiner Glaubens- 
genossen, keine andere Wahl habe als sich ihm auf das eugste 
anzuschließen und, sei es selbst widerwillig, seine Pläne zu unter- 
stitzen. Und hierin lag der Irrthum, der ihm so verhängniß- 
voll werden sollte. Gerade darum, weil Moritz sich in dem 
Besitze seiner Errungenschaft nicht fest und sicher fühlen konnte, 
so lange er sie bloß der Gunst des Kaisers verdankte, mußte 
sein Streben darauf gerichtet sein, sie auch von der entgegen- 
gesetzten Seite factisch und als zu Recht bestehend auerkannt zu 
sehen; je weiter sich die auf die Errichtung einer Universal- 
herrschaft abzielenden Tendenzen der habsburgischen Politik von 
den nationalen Bedürfnissen des Reiches entfernten, desto näher 
mußte an ihn, den mächtigsten unter den Reichsfürsten, die 
Aufgabe herantreten, als Haupt der deutschen Mittelmacht die 
deutschen Interessen gegen die undeutschen des Reichsoberhauptes 
zu vertreten, und wie fern er auch persönlich der dogmatischen 
Parteigläubigkeit seines Zeitalters stehen mochte, so war ihm 
doch eine Vergewaltigung auf kirchlichem Gebiete so wenig er- 
träglich wie auf dem politischen. Die Abhängigkeit vom Kaiser 
abzustreifen, an der Spitze der deutschen Fürsten die spanische 
Willkürherrschaft zu brechen, die nationale Selbständigkeit und 
die kirchliche Freiheit zu retten, das wurde das Ziel, dem er
	        
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