102 Kurfürst Christian J.
daß mit Ausschließung der alten Räthe fast die ganze Re-
gierungsgewalt in seiner Hand vereinigt wurde, und seine un-
gemeine Arbeitskraft machte es ihm in der That möglich alle wich-
tigen Sachen allein und selbst zu besorgen; diejenigen, die er noch
am ersten zuzog, waren Dr. v. d. Weihe, H. v. Bünau und der
Geh. Rath Dr. Andr. Paull, drei seiner ergebensten Anhänger 2).
Doch unterließ er nicht sich ausdrücklich auszubedingen, daß er in
seiner neuen Stellung seiner religisen Ansichten wegen unange-
fochten bleiben solle. Durch des Kurfürsten Zusage hierüber be-
ruhigt, durch die erfahrenen Angriffe gereizt und ohnehin heftigen
Temperaments, begann er jetzt in gewaltsamer Weise gegen seine
Widersacher vorzugehen. Duldung und friedliches Nebeneinander-
bestehen abweichender Glaubensrichtungen lag überhaupt nicht in
dem Geiste jener Zeit; der Sturz der bisher herrschenden Partei
bedeutete zugleich ihre Verfolgung. Während in Dresden der
Hofprediger Dan. Greser 1588 verdrängt, in Leipzig der
Superintendent Selnecker durch einen sogenannten Krhypto-
calvinisten ersetzt und Polykarp Leyser von Wittenberg gern
nach Braunschweig entlassen wurde, arbeitete der eine Hof-
prediger, Steinbach, einen neuen Katechismus aus, veranstaltete
der andere, Salmuth, auf kurfürstliche Kosten eine Bibelaus-
gabe, die sogenannte Crellsche Bibel, mit Glossen in antiortho-
doxem Sinne und, nachdem der Kurfürst (Jau. 1591) seine jüngste
Tochter Dorothea mit Weglassung des Exorcismus hatte taufen
lassen, auch das im Namen der wittenberger Facultät verfaßte
Gutachten sowie die Consistorien und ein großer Theil der Geist-
lichkeit sich für Beseitigung desselben ausgesprochen und nur die
Superintendenten des leipziger Sprengels die Unterschrift des
wittenberger Bedenkens verweigert hatten, erging endlich 4. Juli
der Befehl, den Exorcismus ganz wegzulassen und „hinfür
Keinen zum Kirchendienste ordiniren oder kommen zu lassen, der
sich mit berührtem Bedenken der andern Kirchendiener über den
Exorciomus nicht vergleichen würde“; alle Geistlichen hatten
denselben bei Strafe der Amtsemtsetzung zu unterschreiben.
Allein diese Maßregel stieß bei dem orthodoxen Theil der
I) Nitter im Archiv f. sächs. Gesch. VII, 211.