Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

108 Die Administration Friedrich Wilhelms von Sachsen-Weimar. 
sondern den Prozeß der Landschaft überlasse, den Schein der 
Unparteilichkeit zu geben, während er doch, wo es noth that, 
das Verfahren gegen den Angeklagten recht gut in die ihm 
wünschenswerthe Richtung zu leiten verstand. Als aber nnn- 
mehr zur Aufstellung einer förmlichen Anklage geschritten werden 
sollte, zeigte es sich, daß der Landtag in seiner Gesammtheit 
keineswegs mit dem bisherigen Verfahren des ritterschaftlichen 
Ausschusses einverstanden sei; die Städte waren bedenklich, die 
Universität Wittenberg lehnte die Betheiligung geradezu ab, die 
Grafen und Herren verlangten, daß gebührlich und nach Ord- 
nung der Rechte gegen Crell procedirt werde, ja sogar ein 
Theil der Ritterschaft sprach gegen die Vormünder seinen Un- 
willen über das gehässige Eifern gegen die Calvinisten, durch 
welches das Andenken des verstorbenen Kurfürsten beschimpft 
werde, sowie über die aus dem übereilten und formlosen Ver- 
fahren gegen Crell hervorleuchtende Nachgier Einzelner unver- 
hohlen aus!), während auch von auswärts, von den hessischen Land. 
grafen, dem Pfalzgrafen, Verwendungen für den Gefangenen 
einliefen, „weil wir“, wie ersterer schreibt, „gewißlich sehen 
und spüren, daß fast alle und jede dem Kanzler zugelegte Ver- 
übung gerade auf den verstorbenen Kurfürsten gerichtet und er 
in des Kanzlers Person verfolgt und angestellt werden will“. 
Nur mühsam wurde der Landtag zu dem Beschlusse gebracht, 
den Proceß gegen Crell anzustellen; da aber trotz alles Nach- 
spürens sich in Crells Schriften durchaus nichts fand, was zur 
Begründung einer förmlichen Anklage ausgereicht hätte, so 
dauerte es noch Jahre, ehe der 1593 zur Führung des Pro- 
cesses niedergesetzte Ausschuß von 27 Personen denselben oder 
vielmehr das fast beispiellos gehässige und willkürliche Spiel 
mit den Formen des Rechts, welchem man den Namien eines 
Processes gab, begann. Umsonst brachte Crells Gattin seit 1594 
wiederholte Mandate des Reichskammergerichts aus, welche dem 
Gefangenen fürderlich Recht zu eröffnen, wo nicht denselben 
auf Urfehde der Haft zu entledigen geboten, denn der Admini- 
strator erwirkte unter Berufung auf das sächsische privilegium 
1) Weiße, Neues Museum l,. 95.
	        
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