Dr. Crells Proceß. 109
de non appollando ein kaiserliches Rescript dagegen, welches
dem Kammergericht in dieser Sache weiter zu verfahren unter-
sagte. Es ist schwierig sich von dem Proceß ein deutliches
Bild zu machen, da weder die Anklagepunkte noch das Ver-
fahren von Anfang bis zu Ende sich gleich blieben, wie denn
z. B. der Administrator 1597 ganz eigenmächtig den bisherigen
Anklageproceß in einen Inquisitionsproceß verwandelte. Das
Einzige fast, worau man, um einen Schulobeweis darauf zu
gründen, festhielt, war die völlig aus der Luft gegriffene Fiction,
daß alle Maßnahmen der vorigen Regierung ohne Zuthun des
Kurfürsten von Crell allein ausgegangen seien, wogegen Crell
seine ganze Vertheidigung darauf gründete, daß er nie etwas
ohne Genehmigung, alles nur im Auftrage seines Fürsten
gethan habe. Bezeichuend genug ließ man den ersten An-
klagepunkt, den wegen der Religion, auf den anfangs das
Hauptgewicht gelegt worden, nachdem er seinen Zweck, die
öffentliche Meinung gegen den Kanzler einzunehmen, erfüllt
hatte, im Verlaufe des Processes mehr zurücktreten, da man
sah, daß sich eine Verurtheilung auf denselben nicht gründen
lasse; dagegen traten die aus der Politik hergenommenen, daß
Crell die Verbindung mit Frankreich veranlaßt und den Kur-
fürsten vom guten Einvernehmen mit dem Kaiserhause abzu-
ziehen versucht habe, umsomehr in den Vordergrund, als man
gewiß war dadurch die Gefälligkeit des Kaiserhofes und dessen
Beistand zur Vernichtung des Verhaßten zu erkaufen. Und
deren bedurfte man bei dem großen Aufsehen, welches der
Proceß überall erregte, um so nöthiger, je schwieriger es
war dem Vorwurf auszuweichen, als ob die hhchste
Staatsbehörde Kläger und Richter in einer Person sei. Aus
diesem Grunde hatte der Administrator bereits in Prag
den Vorschlag gemacht, das Urtheil von etlichen Räthen,
die der Kaiser dazu niedersetzen mäge, sprechen zu lassen, schen-
ten sich sogar die Stände des evangelischen Sachsens nicht den
Administrator zu ersuchen, er müge diese Sache, die voch die
Religion so nahe berührte, vor das kaiserliche Hofgericht, also
eine ganz katholische Behörde, bringen. Aber nicht einmal dies
1597