Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Jülich -clevescher Erbstreit. 117 
Sohn, der jetzt noch lebende Johann Wilhelm, gefolgt war, 
hatte Karl V. während des schmalkaldischen Krieges, wiederum 
den sächsischen Anrechten entgegen, dem Herzog Wilhelm bei 
dessen Vermählung mit des römischen Königs Ferdinand Tochter 
im Jahre 1546 ein sogenanntes privilegium habilitatonis 
gegeben, durch welches Wilhelms Töchter und deren männliche 
Erben für successionsfähig erklärt wurden. Nun traten aber 
auch Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg, als Ge- 
mahl der verstorbenen ältesten, 1572 für erbberechtigt erklärten 
Schwester des letzten Herzogs, und Pfalzgraf Philipp Ludwig 
von Neuburg, dem seine Gemahlin Anna, des Erblassers 
zweite, noch lebende Schwester, einen Sohn, Wolfgang Wil- 
helm, geboren hatte, mit Ansprüchen auf die ganze Erbschaft 
auf, während zwei andere Schwäger, Markgraf Karl von 
Burgau und Pfalzgraf Johann von Zweibrücken, gleiche Thei- 
lung derselben in vier Theile verlangten und selbst noch andere 
Verwandte einzelne Theile der Verlassenschaft ansprachen. Ein 
so unentwirrbarer Knäuel von sich gegenseitig aufhebenden 
Rechten und Ansprüchen, daß sie aufhörten, eine Frage des 
Rechts zu sein und nur noch eine Frage der Politik waren. 
Denn es handelte sich dabei vornehmlich um die wichtige Ent- 
scheidung, ob dieses größte von allen bisher noch unter katho- 
lischen Fürsten gestandenen Territorien der alten Kirche erhalten 
bleiben, oder ebenfalls an den Protestantismus verloren gehen 
solle. Aus diesem Gesichtspunkte vornehmlich sah der kaiser- 
liche Hof die Sache an, er war daher weit entfernt, den säch- 
sischen Ansprüchen große Wichtigkeit beizumessen; als der Kur- 
fürst 1604 in Prag vertraulich an dieselben erinnern und 
zugleich die Abtretung derselben gegen einen Recompens, z. B. 
die Lausitzen, anbieten ließ, erhielt er die verwunderte Antwort, 
„daß man von dieser sächsischen Expectanz gar nichts gewußt 
habe “. Aber geschickt benutzt, konnte sie bei der Entfremdung 
Sachsens von den Protestanten das Mittel werden, um sowohl 
die Erbschaft in Osterreichs eigene Hände zu spielen, als auch, 
um Sachsen noch mit dem einzigen Hause, zu dem es in freund- 
lichem Verhältniß stand, mit Brandenburg, zu verfeinden, „um
	        
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