1611
120 Kurfürst Christian II.
beiten berufen hatte, dem Gesammthaus Sachsen über die
streitigen Länder ertheilte, eine leere Ceremonie, und um so
bedeutungsloser, als sie nur „den Rechten eines jeden Anderen
unbeschadet“ und mit der Bedingung gegeben war, daß Sachsen
alle dem Kaiser und dem Segquestrator aus dieser Sache er-
wachsenen Kosten wiedererstatte, daß alle geistlichen Einkommen
dort zu des letzteren Verfügung blieben, alle verpfändeten
Reichslehen, eine Million an Werth, ohne Ersatz dem Kaiser
überwiesen würden. Aber breit und tief klaffte der Riß, der
Sachsen und Braudenburg trennte: Johann Sigismumd schloß
sich zur Behauptung seines Besitzes der Union an, Christian II.
stand im Begriff, sich von Mainz und Köln zur katholischen
Liga herüberziehen zu lassen. So vielverheißend jedoch diesen
auch der Beitritt des mächtigen Hauses Sachsen zu ihrem
Bunde scheinen mochte, so hegte doch Maximilian von Baiern
gegen die Aufnahme desselben aus mehr als einem Grunde
Bedenken. Mainz und Erzherzog Ferdinand setzten zwar durch,
daß das Gesammthaus Sachsen zu dem im April 1611 zu
eröffnenden Bundestage eingeladen wurde, aber schließlich hielten
die dringenden Warnungen seines Oheims, des Herzogs Julius
von Braunschweig, den Kurfürsten doch noch zurück sich daselbst
einzufinden 1). Noch einmal bot Brandenburg die Hand zur
Verständigung mit Sachsen, zu der auch Frankreich, England,
die Niederlande, Christian von Anhalt, Landgraf Moritz als
zu dem einzigen Mittel, um es von der Gegenseite abzuziehen
und den Kaiser zu befriedigen, dringend riethen. Unterhand-
lungen zu Jüterbock führten am 21. März 1611 zu einem
Vergleiche, durch welchen Brandenburg Sachsen in den Mit-
besitz aufzunehmen versprach, die Entscheidung des Streits dem
Kaiser nebst etlichen Fürsten überlassen werden sollte; aber
nicht allein widersprach Neuburg, sondern auch die Kurfürstin
Anna legte, während man in Sachsen schon ein Te Deum
sang, eine förmliche Protestation dagegen ein, und so wurde
der Vergleich hinfällig. Diese ferneren Stadien des Streits,
aus welchem Sachsen trotz seiner noch bis 1806 wiederholten
1) Wolf a. a. O. III, 19 fl.