Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Charakter und politische Stellung. 12 
Unendlich viel kam darauf an, welche Stellung Kursachsen 
in diesem allgemeinen Widerstreite nehmen würde. Es war 
ein nationales Unglück, daß Johann Georg des Scharfblickes 
ermangelte, um schon damals die Anzeichen des nahenden 
Sturmes wahrzunehmen; unbewußt und verblendet arbeitete 
er, der bereits unter seinem schwachen Bruder die eigentliche 
Seele der sächsischen Politik gewesen war, daran fort, dem 
kommenden Unheil den Weg zu bereiten. Nach wie vor 
waren es das orthodoxe Lutherthum, die Spannung mit den 
Ernestinern, die Rivalität mit Kurpfalz und seit der jülichschen 
Sache auch noch der Zerfall mit Brandenburg, was die 
Haltung Sachsens bestimmte, seinen Anschluß an Osterreich 
befestigte und dem Kurfürsten auch da, wo seiner ehrlichen 
Anhänglichkeit an die protestantische Lehre Bedenklichkeiten auf- 
stiegen, die Möglichkeit freier Selbstbestimmung raubte. Miß- 
trauisch, weil beschränkten Geistes, hartnäckig, weil ohne wahre 
Charakterstärke, außer Stand je den engen Ideenkreis zu über- 
schreiten, in dem er auferzogen worden, durch das Bewußtsein 
wohlmeinender Absichten sich über die Zweckmäßigkeit seiner 
Handlungen täuschend, aber doch zu eigennützig um nicht oft über 
dem nächsien Vortheile den allgemeineren und höheren aus 
dem Auge zu verlieren, nicht ohne Gefühl von seinen Pflichten 
gegen das Vaterland, aber ohne hinreichende sittliche Kraft um 
demselben seine persönlichen Neigungen unterzuordnen, eifer- 
süchtig gegen das Ansehen Anderer, aber doch zu indolent um 
sein eigenes zu behaupten, hat Keiner bei so viel gutem Willen 
so viel Unglück über Deutschland gebracht wie Johann Georg l. 
Schon bald nach Christians 1I. Tode verlangte Johanns 
von Weimar Wittwe, Dorothca von Anhalt, die Aufhebung 
der kursächsischen Vormunoschaft über ihre acht Söhne. auf 
deren Kosten der Kurfürst seine vier altenburgischen Mündel 
zu begünstigen schien, was noch 1614, bei Gelegenheit der 
Erneuerung der Erbverbrüderung 1) mit Hessen und Branden-= 
1) Dieselbe erhielt jedoch auch jetzt nicht die kaiserliche Bestätigung 
und wurde daher nicht rechtskrästig. Löning, Erbverbrüderungen, 
S. 56. 
1614
	        
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