Sachsens Zustand nach dem westfälischen Frieden. 187
meisten Städte 1). In einem neun Dörfer umfassenden Kirch-
spiele des Kurkreises war 1651 nicht ein einziges Haus mehr
vorhanden. Zörbig wurde 45mal ausgeplündert, zwei Geist-
liche konnten nicht anziehen, weil man keinen Unterhalt für sie
hatte; einem dritten, der es wagte, holte man seinen Hausrath
aus Mangel an Zugvieh auf einigen Schubkarren. In dem
ganz verödeten Wahrenbrück mußte dem an der Pest gestorbenen
Geistlichen dessen Frau selbst das Grab machen und die Leiche
einsenken. In Folge der Entvölkerung und der Verarmung
sank der Bodenwerth um mehr als zwei Drittheil; 9 Jahre
nach dem Frieden verordnete Johann Georg II., daß die herren-
losen wüsten Häuser und Güter den sich Meldenden unentgeltlich
überlassen und diesen drei Freijahre bewilligt werden sollten.
Am meisten hatten, wegen der Nachbarschaft mit Böhmen,
das Erzgebirge und das Voigtland gelitten, wo sich die Er-
innerung an eine Menge niedergebrannter Dörfer nur in den
Namen wüster Marken erhalten hat. Noch 1695 fanden sich
allein in den Dörfern des Amts Lauterstein dreißig wüste lie-
gende Güter und Häuser 2). Von den verödeten Brandstätten
nahmen Schaaren von Wölfen Besitz, die sich ebenso wie die
Bären in erschreckender Weise vermehrt hatten und die Land-
leute aufielen. Der Viehstand war zum großen Theile ver-
nichtet, Ackerbau, Handel und Gewerbe lagen darnieder, der
Bergbau stand still, die Schächte stürzten ein und ersoffen.
Alle Sicherheit hatte aufgehört, Gewaltthätigkeiten, Plünderung,
Kirchenraub waren an der Tagesordnung, die Sittlichkeit war
tief gesunken, die Schulen und Universitäten verödeten und
verarmten; in Wittenberg und Leipzig betrugen die Stipendien-
reste 22000 Thaler. Zu der allgemeinen Noth kamen die oft
kaum erschwinglichen Contributionen hinzu, nicht bloß die von
1) Eine Zusammenstellung der Verluste einzelner sächsischer Städte
nach den Laudtagsacten von 1640 in Hasche, Magazin f. d. sächs.
Geschichte 1IV, 300. 336. 469. 612. 664. Der Schaden, den Sachsen
nur an baarem Gelde durch den Krieg erlitten, wird daselbst auf min-
destens 60 Millionen Thaler berechnet.
2) Hering a. a. O. 1, 377.