Sachsens Zustand nach dem westfälischen Frieden. 189
aber mattherzig wie immer und furchtsam, daß daraus neue
Parteiung entstehen möge, weigerte sich dieser es anzunehmen;
nur auf Grund des westsälischen Friedens und durch die Reichs-
versammlung sei die Erledigung der Beschwerden zu suchen.
Erst als man Miene machte, das Directorium an Magdeburg
zu übertragen, brachte ihn die Eifersucht auf Brandenburg
dahin es anzunehmen 1). Aber alle seine dem österreichischen
IUnteresse geleisteten Dienste bewirkten nicht so viel, daß seinen
Verwendungen für die noch immer aufs härteste bedrängten
Protestanten in Schlesien und Böhmen die mindeste Berück-
sichtigung zu Theil geworden wäre. Alles, was er für sie
thun konnte, war, daß er den armen verjagten böhmischen
Exulanten die erbetene Aufnahme in dem wildesten Theile des
Erzgebirges gewährte. Hier erbauten sie 1654, außer anderen
Ortschaften, im sogenannten Hungerlande auf dem Fastenberge
Johanngeorgenstadt 7).
Wie sehr Johann Georg I. jedes tieferen politischen Blickes
ermangelte, davon gab er zuletzt noch einen Beweis durch
sein am 20. Juli 1652 unter kaiserlicher Bestätigung er-
richtetes Testament, welches der weisen, auf der Untheilbarkeit
basirenden albertinischen Successionsordnung und der seit der
Erlangung der Kur durch Hausobservanz eingeführten Primo-
genitur zuwider eine Zersplitterung des Kurstaats veraulaßte,
dem Lande einen vierfachen Hofstaat aufbürdete und Uneinigkeit
unter die Glieder des kurfürstlichen Hauses brachte, und dies
in einer Zeit, wo alle Umstände und namentlich das steigende
Gewicht Brandenburgs, dessen Gefährlichkeit für Sachsen er
mit richtigem Instincte herausfühlte, alle Kräfte zusammen-
zuhalten geboten hätten. Diese einseitige Willenserklärung, die
er wahrscheinlich aus Vorliebe für seine jüngeren Söhne, be-
1) Weiße, Gesch. V, 81.
2) Die meisten Exrnlanten lamen ans Plalten, welches nebst Golles-
gabe früher zur Herrschaft Schwarzenberg gehört hatte und erst nach
1546 an Böhmen gekommen war. Vergl. u. a. Franke, Zur Grün-
dungsgeschichte von Johanngeorgenstadt (1854) und Peschek, Die böh-
mischen Exulanten in Sachsen (1867).
1652