Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Sein Testament. 191 
Räthe und Vasallen festgesetzt. Auch der Kurfürstinwittwe 
wurden zu ihrem Witthum mehrere Amter verschrieben 70. 
War diese Zerstückelung des Staats in jeder Beziehung 
nachtheilig für Sachsen, verstieß insbesondere die Trennung der 
Lausitzen unter sich und der einen vom Kurstaate gegen den 
Traditionsreceß und den prager Frieden, so gaben außerdem 
manche Unbestimmtheiten der Ausdrücke im Testamente, die, 
hervorgerufen durch Vermengung rümischer und sächsischer Rechts- 
ideen entweder dem Concipienten desselben, dem Secretär Berlich 
(auch Benedict Carpzov wurde zugezogen), oder auch den vom 
Kurfürsten selbst daran vorgenommenen Anderungen zur Lost 
fallen, die Veranlassung zu vielfachen Streitigkeiten mit den 
drei dadurch begründeten Nebenlinien Weißenfels (bis 1746), 
Merseburg (bis 1738) und Zeiz (bis 1718), die erst mit dem 
Aussterben derselben ihre Endschaft fanden. Von den Stiftern 
Merseburg und Naumburg erreichte der Kurfürst 1653 das 
Versprechen, mit der Postulation bei den Erben der Herzöge 
Christian und Moritz und in deren Ermangelung bei dem 
Kurhause beständig bleiben zu wollen; allein ehe die Unter- 
handlungen darüber beendigt waren, und ehe noch die kaiserliche 
Bestätigung des Testaments erlangt werden konnte, starb 
Johann Georg I. 72 Jahr alt, am 8. October 1656. 
Sein Charakter prägt sich in seiner Geschichte aus. Es 
war sein und seines Landes Unglück, daß er zum Mithandeln- 
den in Ereignissen berufen war, denen seine harmlose Indolenz 
in keiner Weise gewachsen war, daß ihn die Politik seiner Vor- 
gänger in Bahnen getrieben hatte, aus denen seine geistige 
Beschränktheit sich nicht frei zu machen verstand. Im öffent- 
lichen wie im Privatleben brachte ihn seine strenggläubige 
Frömmigkeit in Abhängigkeit von seinen Geistlichen, wennschon 
der verderbliche Einfluß, den sein Oberhofprediger Hos v. 
Hoönegg auf ihn übte, vielfach übertrieben worden ist. Die 
Leidenschaft für die Jagd theilte er mit seinen Vorfahren. Die 
1) Das Testament nebst Codicill bei Glafey a. a. O., S. 1031 ff. 
mit Angabe der streitigen Punkte. 
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