Sitten. 218
examina, wie sie seit 1648 für Handlungsdiener, Dienstboten
und Handwerksburschen eingerichtet wurden, nicht erzielen ließ.
Alle Stände ergaben sich dem unmäßigsten Luxus, dem selbst
die Drangsale des Kriegs keinen Einhalt thaten. Wie der Hof
von der gewohnten Verschwendung nicht abließ!), so lebte auch
das Volk in Saus und Braus; in den Städten jagten sich
die Festlichkeiten, die aus dem gemeinen Seckel bestritten wur-
den und Mißverwaltung des Communvermögens erzeugten. Die
Handwerker ließen sich in ihren Mummercien, die Spieler an
den Glückstöpfen, wie ein solcher in Leipzig mit 17000 Gulden
Fond im Tumult von den Studenten zerbrochen wurde, wenig
stören; namentlich in kostbarer Tracht suchten die untern
Stände, allen Kleiderordnungen zum Trotz, es den höheren
gleich zu thun. Das Verbot der großen Eisen und Wülste
unter den Räcken zeigt die ersten Spuren von Reifräöcken.
Die leipziger Bürgerfrauen trugen sich, wie eine Kleiderordnung
von 1626 rügt, nicht auf ehrbar deutsche, sondern auf aus-
ländische Manier mit mehrfachen goldenen Ketten, Handschuhen
mit Gold und Perlen gestickt, goldenen Dolchen durchs Haar,
„im Summa so, daß es nicht adligen sondern gräflichen und
höheren Standespersonen gleich ist“2). Das alte Uebel der
Trunksucht griff durch den allgemeiner werdenden Verbrauch
des Branntweins namentlich auch in den untern Ständen um
sich. Der Gebrauch des Tabaks soll zuerst 1620 durch eng-
lische Truppen nach der Lausitz gebracht worden sein; 1633
wurde das „Tabaktrinken“ verboten und der Verkauf des
Krants nur den Apotheken als Arguci gestattet 5).
1) Dazu wicder im Gegensatze eine Hosschuhmacherrechnung von
1651: drei Paar Schube geslickt mit Filz, vor jedem Paar 4 Groschen,
thuet 12 Groschen. Hasche, Dipl. Gesch. v. Dresden IV, 628.
2) Kleiderordnung von 1612 (Cod. Aug. I, 1456).— über die 163.1
nach Dresden geflüchtelcn Leipzigerinnen sagt die Kurfürstin: „Das
Weibsvolk von Leipzig thut nichts denn mehr Hossart und Pracht in
Kleidung herein nach Dresden bringen, damit hier unsere dresdner
Schlappen vollends in ihrem halsstarrigen Sinne wegen Übermächtiger
Hoffart in Kleidung verstärkt werden"“. Müller, Johann Georg, S. 61.
3) Cod. Aug. I, 1543.
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