Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

218 Inneres 1586—1656. 
mit der Trostlosigkeit der ganzen Zeit, gerade die am tiefsten 
empfindenden Seelen der Mystik, schwächere wüster Schwärmerei 
oder dem Aberglauben in die Arme trieb. So trat, durch 
Val. Weigel angeregt, ein Schwärmer Ezechiel Meth, der sich 
den Großfürsten Gottes nannte, in Langensalza als Gründer 
einer phantastischen Secte auf, bis er 1614 nach Dresden 
citirt, examinirt und in Haft behalten wurde 1); ähnlich erging 
es seinem Oheim Esaias Stiefel, der sich für die auserwählte 
Braut Christi hielt, seine Lehre dann abschwor, aber in Erfurt 
zu ihr zurückkehrte. In Leipzig ging 1642 der ewige Jude 
bettelnd herum. Ungleich größeres und gerechteres Aufsehen 
erregte der görlitzer Schuhmacher Jacob Böhme (1575 bis 
1624), ein schlichter und wahrhaft frommer Mann, aber be- 
herrscht von einer übermächtigen Phantasie, deren Eingebungen 
ihm als innere Offenbarungen galten. Seine erste 1624 
erschienene Schrift „Weg zu Christo“, gleich den späteren ebenso 
von tiefsinnigen Gedanken wie von theosophischen Träumereien 
angefüllt, fand wie anderwärts so auch unter den höheren 
Ständen Dresdens begeisterte Leser; dort wurde er, da er des 
Weigelianismus angeklagt worden war, vor dem Consistorium 
verhört, dabei aber von hochgestellten Männern aufsgesucht, so- 
gar der Aufmerksamkeit des Hofes gewürdigt und flößte selbst 
den wittenberger Theologen so viel Achtung ein, daß sie einen 
Mann von so wunderlich hohen Geistesgaben zu verdammen 
sich nicht getrauten ?. 
Auch die klassischen Studien gewannen noch nicht das Ter- 
rain wieder, das sie seit dem Erlöschen des Humanismus an 
die übermächtige theologische Zeitströmung verloren hatten; ja 
sie standen so wenig auf der Höhe ihrer Aufgabe, daß ihr be- 
deutendster Vertreter, Friedrich Taubmann, von 1592—1613 
Professor der Poesie und Eloquenz in Wittenberg, weil er 
wegen seines Humors an der kurfürstlichen Tafel wohl gelitten 
1) Cod. Aug. I. 779. Toppe, Gesch. v. Langensalza in Krey-- 
higs Beiträgen IV, 172. 
2) Wullenu, J. Böhme und seine Lehre (1838). Tholuck, Geist 
der luth. Theologen, S. 146.
	        
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