Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Die Neidschütz. 265 
seiner Geburt von seinem mütterlichen Großvater den Titel 
eines Erben von Dänemark und Norwegen und die Versicherung 
der Successionsfähigkeit in diesen Ländern erhalten hatte, und 
Friedrich August, am 12. Mai 1670. 
Der junge 23jährige Kurfürst Johann Georg IV., den 
die Natur nicht ohne geistige Anlagen gelassen und mit großer 
Körperkraft ausgestattet hatte, würde sich vielleicht zu einem 
tüchtigen Regenten herangebildet haben, hätte sich nicht seiner 
frühzeitig eine verhängnißvolle Leidenschaft bemächtigt, die nicht 
nur die gesunde Entwicklung seines Geistes und Charakters 
hemmte, sondern sogar die Ursache seines frühen Todes wurde. 
Zeitgenossen rühmen ihn als einen Fürsten von Geist, Kraft 
und Bildung, der besonders durch seine Geschäftsgewandtheit 
seine geheimen Räthe oft zu Paaren getrieben, sie examinirt 
„und wo einer etwa geschlegelt hatte, ihn auf so empfindliche 
Weise durchzuziehen gewußt habe, daß sie alle sich vor ihm 
fürchteten“. Allein schon als Kurprinz hatte er zu der damals 
dreizehnjährigen Tochter des Gardeobersten Rudolf v. Neid- 
schütz, Magdalene Sibylle (geb. 1675), einer üppigen und geist- 
losen Schönheit, die so unwissend war, daß sic sich ihre Liebes- 
briefc von ihrer Mutter schreiben lassen mußte, eine so heftige 
Leidenschaft gesaßt, daß der Aberglaube der Zeit darin die 
Wirkung angewandter Zaubermittel sah. Vergeblich hatten die 
Eltern durch Theilnahme am Reichskriege und durch Reisen 2) 
ihn von dem unwürdigen Gegenstande seiner Leidenschaft zu 
treunen versucht; kaum der Fessel der väterlichen Aufsicht ent- 
ledigt, erhob der junge Kurfürst seine Geliebte, das willenlose 
Werkzeug für die Herrsch= und Habsucht- ihrer intriguanten 
Mutter, öffentlich zu seiner Favoritin, ernannte ihren Vater 
zum Generallentnant, schenkte ihr einen Palast und Landgüter, 
umgab sic mit einem kleinen Hofstaat und ehrte sie in dem 
Maße, als das noch nicht an öffentliche Maitressemwirthschaft 
gewöhnte Volk sie verachtete und schmähte. Auch die höchsten 
1) Die handschriftlichen Reisediarien Johann Georgs und seincs 
Bruders auf der dresduer Bibliothek.
	        
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