276 Inneres 1056—1697.
4. Innere Staats= und Kulturverhältnuisse Kursachsens don Johann
Georgs l. Tode bis zur Erwerbung der polnischen Krone durch Friedrich
August I., 1656—1697.
Bedarf es eines Beweises, welche unverwüstliche Kraft und
Gesundheit dem deutschen Volke innewohnt, welche Treue es
seinen Fürsten zu bewahren gewohnt ist und welche bedeukliche
Zustände es aus seinem Innern heraus zu überwinden vermag,
so kann ihn unser Sachsen in dem Zeitraum seit der Mitte
des 17. Jahrhunderts liefern, wo eine finanzielle Mißwirth-
schaft, wie sie bis dahin unerhört war, am Marke des Landes
zehrte, das noch nicht Zeit gehabt hatte sich von den schweren
Wunden des dreißigjährigen Krieges zu erholen, wo seine Für-
sten nicht nur nichts thaten um dieselben zu heilen, sondern an
der Regierung ihres Landes nur insoweit Antheil nahmen,
als ihnen dasselbe die Mittel zur Befriedigung ihrer persöulichen
Neigungen und Leidenschaften gewähren sollte, wo sie in Ver-
kennung ihres Berufs und ohne Gewinn, nicht selten sogar
zum Nachtheile für das Reich sich in die großen politischen
Welthändel einmischten, die den speciell sächsischen Interessen
fern lagen, ihre Gunst und den Schweiß ihrer Unterthanen an
italienische und französische Höflinge verschwendeten und von ihren
Reisen in den romanischen Süden Anschauungen heimbrachten,
durch die sie ihrem eigenen Volke wie ihren Pflichten als
Reichsstände entfremdet wurden.
Gerade daß die sächsischen Fürsten in ihrer nimmer enden-
den finanziellen Bedrängniß des Beistandes ihrer Stände nicht
entbehren konnten, wurde ein Hauptgrund, weshalb hier die
ständische Verfassung, das Mitregiment der Stände, durch die
seit dem westfälischen Frieden von Seiten der Fürsten allgemein
gesteigerten Souveränitätsansprüche in geringerem Grade beein-
trächtigt wurden, als dies in manchen anderen Reichsländern
geschah. Wie nachdrücklich dieselben im Jahre 1660 dem Ver-
suche ihre Wirksamkeit zu beschränken entgegentraten, ist bereits
erwähnt. Auf demselben Landtage, also kurz nachdem Leopolds I.
Wahlcapitulation den Landständen in den Kurfürstenthümern