Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Inneres 1697—1733. 371 
dagegen erneuerte ihm Kaiser Joseph 1708 das Erzjäger- 
meisteramt. Bei dem Reichsvicariat von 1711 — nach Leo- 
polds I. Tode war keines eingetreten — erkannte er, da dies- 
mal Kurbaiern in der Reichsacht lag, Kurpfalz als Mitvicarius 
an. Es erhob sich jetzt zum erstenmal die Frage, ob der seit 
1663 permanente Reichstag auch während des Zwischenreiches 
fortzudauern habe; die Vicare bejahten sie und suchten sich der 
Leitung desselben zu bemächtigen; aber dem widersetzten sich die 
Reichsstände, um nicht an den Reichsvicaren zwei Kaiser zu 
haben, welche die Zwischenregierung absichtlich verlängern möch- 
ten. Friedrich August benutzte sein Reichvicariat hauptsächlich 
zu Standeserhöhungen, z. B. der Kospoth, Hoym, Vitzthum, 
Flemming in den Grafenstand, zur Ertheilung von Privilegien 
und Comitiven an die Juristenfacultäten zu Wittenberg und 
Leipzig, an den Magistrat letzterer Stadt. Zur Besorgung 
der Blcariatssachen wurde am dresduner Hofe statt des bisher 
üblichen Hofgerichts eine Vicariatscommission aus drei geheimen, 
zwei Hofräthen und einem Appellationsrathe gebildet, die auch 
in späteren Fällen auf ähnliche Weise zusammentrat 1). 
. Zur inneren Geschichte Kursachsens unter Friedrich August 1. 
1697—1733. 
Wie verhäungnißvoll die Verbindung mit Polen für Sachsen 
war, ergibt sich schon zur Genüge aus der Darstellung der 
äußeren Verhältnisse und Ereignisse, welche dieselbe zur Folge 
hatte; ein Blick auf die inneren Verhältnisse vervollständigt 
nur das traurige Bild. Die maßlose Selbstsucht des Landes- 
fürsten, der gleichgiltig gegen Wohl und Wehe seiner Unter- 
thanen keine höhere Triebfeder kannte als Befriedigung seiner 
sinnlichen Begierden, die systematische Aussangung des Landes, 
der Marasmus, dem die Formen der Verfassung verfielen, die 
Verderbtheit des Hoflebens, die stumpfe Selbstvergessenheit und 
knechtische Bewunderung, mit der das Volk zu dem Glanz und 
der Ueppigkeit des Hofes emporsah, das Erlöschen alles Ge- 
1) Weiße V, 406 ff. « 
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